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RA Dr. Johannes Weberling, Berlin: 

Sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen für die Beschäftigung von Schülern, Studenten und Praktikanten

Die sechswöchigen Schul- und Sommerferien sowie die dreimonatigen Semesterferien zwischen dem Sommersemester und dem Wintersemester bieten für viele Schüler und Studenten eine willkommene Gelegenheit, sich etwas dazuzuverdienen oder sich den notwendigen Unterhalt zu verdienen bzw. vorgeschrieben Praktika zu absolvieren. Schüler und Studenten sind gerade für Medienunternehmen willkommen, helfen sie doch insbesondere während der Haupturlaubszeit Personalengpässe verhältnismäßig kostengünstig und ohne größere arbeitsrechtliche Risiken zu vermeiden. Die bei der Beschäftigung von Schülern, Studenten und Praktikanten zu beachtenden Bestimmungen haben sich in den letzten Jahren teilweise erheblich verändert. Um unnötige Fehler vermeiden zu helfen, werden nachstehend die bei der Beschäftigung von Schülern, Studenten und Praktikanten besonders zu beachtenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen dargestellt.

1. Übersicht

Die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung enthält der Vierte Teil des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Die Regelungen für die einzelnen Versicherungszweige stehen im

  • SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung;

     

  • SGB VI für die gesetzliche Rentenversicherung;

     

  • SGB VII für die gesetzliche Unfallversicherung;

     

  • SGB XI für die Pflegeversicherung;

     

  • SGB III für die Arbeitsförderung und damit mittelbar auch die Arbeitslosenversicherung (gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gelten die Vorschriften des SGB IV „mit Ausnahme des Ersten und Zweiten Titels des Vierten Abschnitts und des Fünften Abschnitts auch für die Arbeitsförderung“).

     

Grundsätzlich sind alle „Beschäftigungsverhältnisse“ sozialversicherungspflichtig. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere im Arbeitsverhältnis. Als wesentliche Anhaltspunkte für eine Beschäftigung definiert das Gesetz eine Tätigkeit nach Weisungen sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beides liegt in der Regel auch bei der vorübergehenden Beschäftigung von Schülern und Studenten vor. Allerdings gibt es bei deren Tätigkeit Ausnahmen bzw. Abweichungen in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung.

 

2. Geringfügige Beschäftigung

Gleichermaßen von Bedeutung für die Beschäftigung von Schülern und Studenten sind die seit dem 1. April 1999 neu gefaßten Vorschriften über die geringfügige Beschäftigung (§ 8 SGB IV),besser bekannt als „630-Mark-Jobs“, die unverändert teilweise versicherungsfrei sind. Das Gesetz unterscheidet zwei Arten geringfügiger Beschäftigung:

  • den „geringfügig Entlohnten“ (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) mit geringer regelmäßiger Arbeitszeit (unter 15 Stunden pro Woche) und geringem Einkommen (regelmäßig monatlich nicht mehr als DM 630,--);

     

  • den „kurzfristig Beschäftigten“ (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV), der innerhalb eines Jahres nicht mehr als zwei Monate oder maximal 50 Arbeitstage pro Jahr beschäftigt wird und dabei nicht berufsmäßig tätig wird sowie ein monatliches Entgelt von nicht mehr als DM 630,-- pro Monat erhält.

     

Eine berufsmäßige Beschäftigung wird bei Schülern und Studenten grundsätzlich verneint. Keine kurzfristige, sondern eine regelmäßige Beschäftigung liegt dann vor, wenn die Beschäftigung von vornherein auf ständige Wiederholung ausgerichtet ist und über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden soll, das bedeutet nach der gegenwärtigen Verwaltungspraxis (eine gefestigte Rechtsprechung hierzu liegt noch nicht vor) mehr als ein Jahr.

 

Für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, nicht aber für die Arbeitslosenversicherung werden zur Beurteilung, ob eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, alle Beschäftigungen zusammengerechnet, also geringfügige und nicht geringfügige Beschäftigung.

Das bedeutet im einzelnen:

  1. Geringfügig Beschäftigte sind grundsätzlich rentenversicherungsfrei (§ 5 Abs. 2 SGB VI).

     

    Für geringfügig Entlohnte (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV), nicht aber für kurzfristig Beschäftigte (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV), bezahlt der Arbeitgeber einen Pauschalbetrag i. H. v. 12 % des Arbeitsentgelts an die Rentenversicherung (§ 172 Abs. 3 SGB VI).

  2. Geringfügig Beschäftigte sind grundsätzlich krankenversicherungsfrei.

     

    Allerdings zahlt der Arbeitgeber für geringfügig Entlohnte, nicht aber für kurzfristig Beschäftigte, einen Pauschalbetrag i. H. v. 10 % des Arbeitsentgelts an die Krankenversicherung, wenn der Arbeitnehmer gesetzlich versichert und in der geringfügigen Beschäftigung krankenversicherungsfrei oder nicht krankenversicherungspflichtig ist.

  3. Geringfügig Beschäftigte sind in der Pflege- und Arbeitslosenversicherung unverändert versicherungsfrei (§ 27 Abs. 2 SGB III).

     

  4. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind alle Beschäftigten im Sinne von § 7 SGB IV, also auch Schüler- und Studentenaushilfen, bei ihrer Tätigkeit kraft Gesetzes unfallversichert. Zuständig ist der Unfallversicherungsträger des jeweiligen Beschäftigungsunternehmens. Das gleiche gilt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII für Lernende während ihrer beruflichen Aus- und Fortbildung sowie nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII für Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen.

     

3. Beschäftigung von Schülern

Schüler allgemeinbildender Schulen sind regelmäßig nicht versicherungspflichtig, weil sie in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen und sich auch nicht in Berufsausbildung befinden. Mangels eines Beschäftigungsverhältnisses gilt dieses auch für Schüler berufsbildender Schulen, soweit sie diese im Vollzeitunterricht und nicht lediglich im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zur Berufsausbildung besuchen.

Unabhängig davon ist eine Beschäftigung, die ein Schüler neben dem Schulbesuch oder während der Schulferien gegen Entgelt ausübt, grundsätzlich versicherungspflichtig. Diese wird aber meistens die Grenzen der geringfügigen Beschäftigung nicht überschreiten. Solange ihr Gesamteinkommen regelmäßig, das bedeutet voraussichtlich für ein Kalenderjahr im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße (d. h. im Jahr 2001 DM 640,-- in Westdeutschland und DM 540,-- in Ostdeutschland) nicht überschreitet, sind Schüler gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V über ihre Eltern versichert, sofern diese Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sind. Gleiches gilt gem. § 25 Abs. 1 Nr. 5 SGB XI für die Pflegeversicherung, wobei hier die monatliche Bezugsgröße mindestens DM 630,-- beträgt. Schüler unterliegen ferner nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung (§ 27 Abs. 4 Nr. 1 SGB III). Hinsichtlich der Unfallversicherung gilt das unter oben 2. Stehende.

4. Beschäftigung von Studenten und Praktikanten

Die Versicherungspflicht unterscheidet sich nach den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung. Dabei kann ein einzelnes Beschäftigungsverhältnis unverändert auch als geringfügige Beschäftigung versicherungsfrei sein (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI).

Ferner kann personenbezogen oder beschäftigungsbezogen eine Versicherungsfreiheit vorliegen. Bei einer personenbezogenen Versicherungsfreiheit ist der Beschäftigte nicht pflichtversichert. Bei einer beschäftigungsbezogenen Versicherungsfreiheit unterliegt nur das einzelne Beschäftigungsverhältnis nicht der Versicherungspflicht, die grundsätzliche Versicherungspflicht bleibt davon unberührt bestehen.

Voraussetzungen für die Geltung der sozialversicherungsrechtlichen Sonderregelungen für Studenten ist deren tatsächliche Stellung als „ordentlich Studierende“ an einer Fachschule oder Hochschule. Ein Student studiert nur dann ordentlich, wenn er nicht nur ordnungsgemäß immatrikuliert, sondern nach seinem Erscheinungsbild Student ist, also der Beschäftigung neben dem Studium keine prägende Bedeutung zukommt. Dies wird von der Rechtsprechung dann angenommen, wenn die wöchentliche Arbeitszeit der Studenten während der Vorlesungszeit 20 Stunden nicht überschreitet, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt primär während des Wochenendes oder von vornherein für maximal zwei Monate im Jahr. Während der vorlesungsfreien Zeit darf die wöchentliche Arbeitzeit 20 Stunden überschreiten.

  1. Für die von ihm eingegangenen Beschäftigungsverhältnisse muß der „ordentliche“ Student grundsätzlich wie jeder andere Beschäftigte Rentenversicherungsbeiträge zahlen. Von der Rentenversicherungspflicht (beschäftigungsbezogen) ausgenommen sind lediglich die Ableistung eines Praktikums durch den Studenten, das in seiner Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI), oder die Ableistung eines Praktikums ohne Entgelt bzw. gegen ein Entgelt, das regelmäßig im Monat DM 630,-- nicht übersteigt. Im Unterschied zu den allgemein geringfügigen Beschäftigungen fällt bei diesen Praktika also auch kein Pauschalbeitrag für den Arbeitgeber an.

     

  2. Studenten unterliegen seit 1975 einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 9, 10 SGB V), die allerdings nach Abschluß des 14. Fachsemesters, spätestens aber mit Vollendung des 30. Lebensjahres endet. Ebenso sind Praktikanten grundsätzlich krankenversicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V).

     

    Ausnahmen von der allgemeinen Krankenversicherungspflicht bestehen:

    1. Personenbezogen bei hauptberuflicher Selbständigkeit (§ 5 Abs. 5 SGB V);

    2. Personenbezogen bei Befreiung auf Antrag (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V);

    3. Beschäftigungsbezogen beim sogenannten „Werkstudentenprivileg“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).

    4. Dazu zählen Beschäftigungsverhältnisse, die während der Dauer des Studiums als ordentlicher Studierender an einer Hochschule oder an einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule laufen.1)

  3. Die Versicherungspflicht von Studenten der Pflegeversicherung entspricht deren Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 SGB XI).

  4. Ordentlich Studierende unterliegen während der Dauer ihres Studiums nicht der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung (§ 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III).

  5. Hinsichtlich der Unfallversicherung gilt das unter oben 2. Stehende.

(Stand: 28. Februar 2001)


1) Vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. November 2003, B 12 KR 24/03 mit dem Leitsatz: „Das Werkstudentenprivileg ist auch dann anzuwenden, wenn Studenten zu Zwecken ihres Studiums eine bisher ausgeübte Beschäftigung verringern und ihrem Erscheinungsbild nach Studenten werden.“