RA Prof. Dr. Johannes Weberling: Der „Zweite Korb“ der Reform des Urheberrechts Drucken

RA Prof. Dr. Johannes Weberling, Berlin/Frankfurt (Oder):

Der „Zweite Korb“ der Reform des Urheberrechts – Überflüssige Wohltaten für die Geräteindustrie!

Die Kulturwirtschaft ist ein zentraler Arbeitsmarkt der Zukunft. In einer immer komplexer werdenden Wissensgesellschaft sind vor allem Lösungen und Angebote Kreativer gefragt. Unser Land ist - gerade wegen der zunehmenden Verlagerung von Industriearbeitsplätzen ins Ausland – dringend auf Wissen, Bildung, Kultur und damit auf Urheber angewiesen. Die Leistungen aller in der Kulturwirtschaft tätigen Personen müssen dafür angemessen existenzsichernd vergütet werden. Der zweite Korb der Reform des Urheberrechts gefährdet die existenzsichernde Vergütung. Die geplante ausschließliche Berücksichtigung der Interessen der Geräteindustrie bei der weiteren Reform des Urheberrechts schadet mittel- und langfristig dem Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland.

I. Die bestehende Regelung der Kopiervergütung

Die bisherige Regelung des Urhebergesetzes zur Kopiervergütung ist ein bewährtes Verfahren, das den Interessen sämtlicher Beteiligter - Urheber, Verbraucher sowie Geräteindustrie - angemessen und vor allem praktikabel Rechnung trägt. Auf den Gerätepreis von Leer- und Speichermedien wird eine pauschale Vergütung für zukünftige Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke aufgeschlagen, welche die Verbraucher bei der Anschaffung der Geräte entrichten. Die Hersteller und Importeure der Leer- und Speichermedien sammeln diese Vergütung ein und reichen das Geld an die Verwertungsgesellschaften weiter, die den Erlös an die Urheber weiterverteilen.

Die bestehende Regelung stellt damit einerseits sicher, daß die Urheber an der Nutzung ihrer Werke durch Dritte partizipieren. Gleichzeitig gibt sie den Verbrauchern die Möglichkeit, urheberrechtlich geschützte Werke für private Zwecke zu kopieren, ohne daß sie deswegen strafrechtliche Sanktionen befürchten müssen. Dies geschieht auch nicht auf Kosten der Geräteindustrie. Denn diese sammelt ausschließlich die den Urhebern für die Nutzung ihrer Werke zustehende pauschale Vergütung ein und leitet diese weiter, ohne daß ihr - von äußerst geringen Verwaltungskosten abgesehen – dafür zusätzliche Kosten entstehen.

 

II. Die Vorschläge des „Zweiten Korb“ zur Reform des Urheberrechts

Die von der Bundesregierung im Zweiten Korb zur Reform des Urheberrechts vorgeschlagenen Änderungen zur Minimierung der Kopiervergütung bevorzugen einseitig die Geräteindustrie. Sie führen zu Rechtsunsicherheit und höherer Bürokratie.

1. Die Bundesregierung schlägt vor, daß Geräte und Speichermedien vergütungsfrei bleiben sollen, die zu weniger als 10 % zum Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken genutzt werden.

Entgegen den Vorstellungen der Bundesregierung bringt diese Regelung nicht weniger, sondern mehr Rechtsunsicherheit. Die aus dieser „Bagatellklausel“ folgende, im Gesetzentwurf nicht einmal eise beantwortete Frage, welche Geräte in welchem Umfang für das Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken genutzt werden, wird eine Flut von Gutachten und Gegengutachten hervorrufen. Im Ergebnis wird sie zu einer unzumutbaren Erschwerung der Durchsetzung der den Urhebern zustehenden Vergütungsansprüche führen.

Die Ausnahme der Vergütungspflicht für Geräte, die in geringem Umfang zur Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken eingesetzt werden, ist auch mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 28. Januar 1993 (Az. I ZR 34/91, NJW 1993, 2118 – Readerprinter) unmißverständlich herausgestellt, daß es eigentumsrechtlich nicht auf den prozentualen Anteil, sondern auf die absoluten Kopierzahlen ankommt.

2. Die Vergütungshöhe soll außerdem an den Verkaufspreis für Geräte und Speichermedien gekoppelt werden. Die Vergütung dürfe die Hersteller von Geräten und Speichermedien nicht unzumutbar belasten. Sie müsse in einem angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder Speichermediums stehen.

a) Dieser Vorschlag der Bundesregierung geht bereits von falschen Prämissen aus:

Die Kopiervergütung führt zu keiner erheblichen Belastung der Hersteller und Händler. Die Hersteller vermitteln die Vergütung nur, indem sie diese ihren kalkulierten Preisen hinzufügen.

Der Vorschlag sieht in der bisherigen Gerätevergütung außerdem einen Standortnachteil, den es zu beseitigen gelte. Die Gerätepreise sind aber auch in Ländern, in denen keine Gerätevergütung besteht (wie z.B. in Großbritannien), nicht geringer. Von der Vergütungsabgabe sind außerdem alle Geräteanbieter in Deutschland gleichermaßen betroffen.

Der Reformvorschlag basiert schließlich auf der falschen Annahme, daß etwaige Nutzungseinbußen der Urheber durch höhere Verkaufszahlen an billigeren Geräten wieder kompensiert würden. Das Gegenteil dürfte richtig sein. Je mehr Geräte angeschafft werden, desto mehr wird kopiert werden.

b) Es ist auch verfassungsrechtlich unzulässig, die Vergütungshöhe an den Verkaufspreis anzuknüpfen. Denn der Preis eines Gerätes sagt nichts darüber aus, in welchem Umfang mittels des Gerätes in das Urheberrecht eines anderen eingegriffen wird. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verlangt, daß jede Nutzung eines Werkes dem Urheber zu vergüten ist. Die Nutzungsvergütung muß sich an der absoluten Zahl der gefertigten Kopien orientieren, nicht am Preis des jeweiligen Geräts.

c) Die geplante Koppelung der Vergütungshöhe an den Gerätepreis führt für die Urheber zu keinen tragfähigen Resultaten. Das zeigt nicht zuletzt die geplante Sonderregel im Zusammenhang mit dem Verkauf von Multifunktionsgeräten, bei denen die Höhe der pauschalen Vergütung weniger als 5 % des Gerätepreises betragen soll. Hier erhalten die Urheber eine besonders geringe Vergütung, obwohl gerade diese Geräteart besonders viele unterschiedliche Vervielfältigungsarten ermöglicht.

3. Die Bundesregierung schlägt schließlich vor, daß sich Hersteller und Urheber über die neue Vergütungshöhe für jeden Gerätetyp einigen müssen. Auch diese Regelung benachteiligt die Urheber gegenüber der Geräteindustrie.

Das Konzept der Bundesregierung, die Regulierung der Vergütungstatbestände und der Vergütungshöhe den Parteien zu überlassen, könnte nur dann funktionieren, wenn die Vertreter der Rechteinhaber, die Verwertungsgesellschaften, und die Geräteindustrie auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Die Urheber sind der Industrie gegenüber jedoch schon aus wirtschaftlichen Gründen strukturell unterlegen. Eine Verhandlung auf gleicher Augenhöhe findet deshalb schon jetzt nicht statt.

III. Zusammenfassung und Ausblick

Die Bundesregierung geht in ihrem zweiten Korb zum Urheberrecht von der falschen Annahme aus, die Position der Geräteindustrie müsse gegenüber den Urhebern gestärkt werden, weil die Urheber im digitalen Zeitalter angeblich zunehmend in der Lage seien, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Dabei verkennt sie jedoch völlig, daß die rasante Entwicklung der digitalen Speicher- und Kopiermedien die Nutzung fremder Werke im Gegenteil so leicht wie noch nie gemacht hat und daß deshalb keine Stärkung der Geräteindustrie angebracht ist, sondern eine Stabilisierung der Rechtsposition der Urheber erforderlich ist.

Die weitere Reform des Urheberrechts sollte nicht einseitig den Interessen der Geräteindustrie Rechnung tragen, sondern in Anbetracht der wachsenden Bedeutung der Kulturwirtschaft für unser Land die schutzwürdigen Belange der Urheber angemessen berücksichtigen.

(Erschienen in promedia. Das Medienmagazin aus Berlin (www.promedia-berlin.de)