Informationsfreiheit in Ungarn GABOR POLYAK 1. Die Informationsfreiheit ist in Ungarn seit 1989 ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht. Gemäß der ungarischen Verfassung hat jeder das Recht darauf, Angaben von öffentlichem Interesse zu erfahren bzw. zu verbreiten. Die Informationsfreiheit wird in einem Paragraph, sogar in einem Satz mit der Meinungsfreiheit geregelt, wird aber von Anfang an als ein besonderes Grundrecht ausgelegt, das den Zugang zu den mit staatlicher Betätigung zusammenhängenden Daten gewährleistet. Im Jahr 1992 wurden die zwei Informationsgrundrechte – informationelle Selbstbestimmung und Informationsfreiheit – in demselben Gesetz geregelt. Dieses Gesetz gilt als vorbildlich, gerade wegen der Regulierungsstruktur, die den Zusammenhang dieser Rechte betont und deren Verhältnis zu klären sucht. Auch der Inhalt der Regulierung galt – und gilt noch heute – als richtungsweisend, aber aufgrund der praktischen Erfahrungen und der technischen Entwicklung war und ist die Überprüfung notwendig. Im vorigen Jahr wurde eine Modifizierung durch das Parlament verabschiedet, die vor allem das Verhältnis zwischen Informationsfreiheit und Geschäftsgeheimnis berührte, und einige Elemente der Regelung präzisierte. Zur Zeit ist eine weitere, die Effekte der neuen Kommunikationsmöglichkeiten berücksichtigende, Modifizierung im Gang. Für die effektive Geltendmachung und als Anerkennung der besonderen Bedeutung der Informationsfreiheit errichtete der Gesetzgeber die Rechtsschutzinstitution des vom Parlament gewählten Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragten (im Gesetz genannt – kurz aber ungenau – nur als Datenschutzbeauftragter). Er verfolgt die Bedingungen der Geltendmachung beider Informationsgrundrechte und überwacht die Einhaltung der diesbezüglichen Rechtsvorschriften. Er kann sowohl aufgrund individueller Meldungen von Bürgern als auch eigener Entscheidung vorgehen. In Fragen bezüglich der Informationsfreiheit – gegenüber den Datenschutzfragen – kann er keine zwingenden Beschlüsse fassen, sondern wendet sich mit seinen Stellungnahmen an die Öffentlichkeit. Trotz der etwaigen Konflikte mit den Staatsorganen kommen die meisten Stellungnahmen zur Geltung. Der Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragte ist heute eine anerkannte Institution, die sehr viel für die Bekanntmachung der Informationsgrundrechte der Bürger und die Berücksichtigung dieser Rechte durch die öffentlichen Stellen tut, und so in großem Maß zur Rechtsentwicklung beiträgt. Trotz der entsprechenden gesetzlichen Regulierung und der breiten Möglichkeiten der Geltendmachung ist aber auch noch heute zu sagen, dass die Bürger nur selten von diesem Recht Gebrauch machen. [Hier kommen noch statistische Daten.] 2. Die Gegenstände der Informationsfreiheit sind im ungarischen Recht die Daten von öffentlichem Interesse. Dieser Begriff hat eine einfachgesetzliche Definition, aber das Verfassungsgericht bezieht in seiner Praxis auch solche Daten unter den Begriff ein, die dieser Definition nicht entsprechen. Der verfassungsrechtliche Begriff erstreckt sich gemäß einiger Verfassungsgerichtsentscheidungen auch auf das Recht, in allgemeinem Sinn gut informiert zu sein. Nach der gesetzlichen Definition sind die Daten von öffentlichem Interesse, die von Organen und Personen, die staatliche Aufgaben oder Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung sowie in einer Rechtsvorschrift festgelegte sonstige öffentliche Aufgaben versehen, verarbeiteten, sowie auf ihre Tätigkeit bezogene, und nicht unter den Begriff der personenbezogenen Daten, fallenden Daten. Diese Bestimmung umfasst eine sehr breite Skala von Angaben, deren „Großzügigkeit“ – nach dem Datenschutzbeauftragten – mit der Absicht zu begründen ist, dass die Regulierung die informationelle Ungewichtigkeit des Staates gegenüber seinen Bürgern ausgleicht. Das Gesetz zählt einige typische Beispiele auf, wie Daten über den Staatshaushalt und das Budget der Selbstverwaltung, über die Verwaltung von Gemeinbesitz, die Verwendung von öffentlichen Geldern und die dazu abgeschlossenen Verträge bzw. die Daten über die Sicherung von Sonder- oder Exklusivrechten. Als das Wesen der Informationsfreiheit verpflichtet das Gesetz die Organe, die Daten von öffentlichem Interesse verarbeiten, bei den in ihren Aufgabenbereich fallenden Angelegenheiten eine genaue und schnelle Information der Öffentlichkeit zu unterstützen und zu gewährleisten. Die Informationsfreiheit erscheint also auch im Gesetz als staatliche Informationspflicht. Nach der Regelung gibt es zwei Wege, an den Daten von öffentlichem Interesse zu gelangen: einerseits kann jeder Bürger einen Antrag zur Erlangung bestimmter Daten bei dem entsprechenden Organ stellen, andererseits müssen diese Organe einige Daten auch ohne Antrag publizieren. Dem Antrag des Bürgers muss das die Daten verarbeitende Organ in kürzester Frist, höchstens jedoch innerhalb von 15 Tagen nach Kenntnisnahme des Antrags, in allgemein verständlicher Form nachkommen. Von der Verweigerung des Antrags – was aus später darzulegenden Gründen geschehen kann – ist der Antragsteller, zusammen mit den Gründen dafür, innerhalb von 8 Tagen schriftlich zu unterrichten. Für die Mitteilung der Daten darf eine Kostenerstattung nur maximal in Höhe der in Verbindung mit der Mitteilung aufgetretenen Kosten – wie Portokosten, Kopierkosten – festgelegt werden. Die Information selbst ist also kostenlos, und der Datenschutzbeauftragte stellte dazu fest, dass diese Regulierung auch keine Kostenerstattung für die Auswertung und Selektierung mehrerer Quellendokumente ermöglicht. Alle anderen Auslegungen würden die Informationsfreiheit unverzeihlich einschränken. Die Kosten der Informationsfreiheit sollten ins Budget des Organs kalkuliert werden, was jedoch derzeit nicht die tatsächliche Lage ist. Es ist noch mal zu betonen, dass der Informationsanspruch ein Recht jedes Bürgers ist, nicht nur z.B. der Journalisten. Nach dem Datenschutzbeauftragten sind der Zweck des Informationsanspruchs und die Häufigkeit der Antragstellung in denselben Angelegenheiten nicht begrenzt, und die Identifizierung des Antragstellers ist nur zum Zweck der Erfüllung von der Kostenerstattung notwendig. Wird sein Antrag nicht erfüllt, kann sich der Antragsteller an das Gericht wenden. Dieser Gerichtsprozess läuft nach einigen besonderen Regeln, von denen die wichtigste die Änderung der Beweislast ist. Die Beweislast trifft nicht den Antragsteller, sondern das Organ, das die Rechtmäßigkeit der Ablehnung nachzuweisen hat. Das Gesetz bestimmt einen Kreis der Daten, die ohne ausdrücklichen Antrag regelmäßig veröffentlicht oder auf andere Art und Weise zugänglich gemacht werden müssen. Dieser Datenkreis erstreckt sich auf die wichtigsten, mit der Tätigkeit des betroffenen Organs verbundene Daten. Solche Daten sind vor allem die Daten in Bezug auf die Kompetenz, die Zuständigkeit, den Organisationsaufbau und die fachliche Tätigkeit des Organs, die Bewertung des Erfolg der Tätigkeit, die Arten der sich im Besitz des Organs befindenden Daten, die Rechtsvorschriften über die Tätigkeit sowie die Wirtschaftsführung des Organs. Die Bedeutung der Informationsfreiheit zeigt die Möglichkeit der Anwendung von strafrechtlichen Sanktionen. Der Gesetzgeber stellt auch Freiheitsstrafe in Aussicht für den Fall der Nichterfüllung der Informationspflicht, der Fälschung der Daten, bzw. der Mitteilung von falschen oder gefälschten Daten. 3. Die Informationsfreiheit ist nach der ungarischen Regulierung aufgrund dreier Interessen begrenzbar, nämlich aufgrund staatlicher, geschäftlicher und privater Interessen. Die Grenzen sind praktisch schwer zu ziehen, aber die umstrittenen Fragen werden durch die Rechtsanwendung und die neuere Gesetzgebung Schritt für Schritt beantwortet. Staatliche Interessen können durch die Regulierung des Staatsgeheimnisses und des Dienstgeheimnisses, ferner der für den internen Gebrauch erstellten sowie mit der Entscheidungsvorbereitung zusammenhängenden Daten geschützt werden. Seit 1995, nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts folgt die Regulierung des Staatsgeheimnisses und des Dienstgeheimnisses vollständig den rechtsstaatlichen Grundprinzipien. Keine Angabe ist „automatisch“ geheim: nur die zum gesetzlich festgelegten Datenkreis gehörenden Angaben können aufgrund des Versehens der genau festgesetzten inhaltlichen und förmlichen Forderungen, auf gesetzlich begrenzte Zeitdauer als Staats- oder Dienstgeheimnis angesehen werden. In einer bedeutenden Stellungnahme betonte der Datenschutzbeauftragte, dass eine Angabe trotz ihrer inhaltlichen Bedeutung – der Berührung der gesetzlich bestimmten staatlichen Interessen – kein Staatsgeheimnis bildet, wenn die nicht durch einen Berechtigten im gesetzlich vorgeschriebenen Prozess und mit den formellen Erfordernisse als solches qualifiziert wurde. In diesem Fall lief wegen der Verletzung des Staatsgeheimnisses ein Strafprozess gegen einen Redakteur, der in einer politisch empfindlichen Sache solche Dokumente veröffentlichte, die die betroffenen Staatsorgane für Staatsgeheimnis halteten. Im Verfahren des Datenschutzbeauftragtes stellte sich aber heraus, dass keine der Dokumente gesetzgemäß qualifiziert waren. Folgend der Auslegung des Datenschutzbeauftragten hob die Staatsanwaltschaft wegen der formellen Mängel das Strafverfahren auf. Auch die für den internen Gebrauch erstellten sowie mit der Entscheidungsvorbereitung zusammenhängenden Daten sind nach der Regulierung auf zwanzig Jahre nach ihrer Entstehung nicht öffentlich. Auf Antrag kann der Leiter des Organs den Zugang zu diesen Daten auch innerhalb dieser Frist genehmigen. Der Datenschutzbeauftragte betonte in mehreren Stellungnahmen, dass die Dokumente nicht willkürlich unter diese Vorschrift gezogen werden können, und die diesbezügliche Entscheidungen können durch das Gericht oder den Datenschutzbeauftragten überprüft werden. Die geschäftlichen Interessen schützt gegenüber der Öffentlichkeit die Institution des Geschäftsgeheimnisses. Die staatlichen Organe verarbeiten sämtliche Angaben, die zugleich wichtige wirtschaftliche Interessen treffen. Alle mit der Wirtschaftstätigkeit verbundenen Daten, deren Erwerb durch Unbefugte die berechtigten finanziellen, wirtschaftlichen oder Marktinteressen des Unternehmens verletzen oder gefährden würde und zu derer Geheimhaltung das Unternehmen die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, bilden in ungarischem Recht ein Geschäftsgeheimnis. Im Allgemeinen hat das Geschäftsgeheimnis den Vorrang gegen die Informationsfreiheit, mit Bezugnahme auf das Geschäftsgeheimnis kann aber nicht unbedingt die Auskunft verweigert werden. Die Rechtsanwendung reiht einige Geschäftsgeheimnisse zu den öffentlichen Daten ein. Nach der ständigen Praxis des Datenschutzbeauftragten knüpft sich kein berechtigtes Interesse zu der Geheimhaltung der Daten, die sich auf eine Rechtswidrigkeit beziehen. Deshalb können und müssen die Behörden über die in ihrem Kontrolltätigkeit aufgedeckten Rechtswidrigkeiten, deren Täter und die angewandten Sanktionen Auskunft geben. Das typische Anwendungsbereich von diesem Prinzip ist der Umweltschutz. Auch das transparente Wirtschaften mit dem Gemeingut, wenn es auch durch ein Unternehmen geschieht, hält die Praxis für wichtigeres Interesse als das private Wirtschaftsinteresse. Von Anfang seiner Tätigkeit an betonte der Datenschutzbeauftragte, dass die Geschäftsangaben, die sich auf die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen eine öffentliche Stelle und das Unternehmen beziehen, öffentlich sind. So wurden z.B. die Angaben des Veranstalters und der Kosten von Staatsfeiern, die Angaben der in der Gesetzvorbereitung teilnehmenden Rechtsanwälte, die Kontodaten einer kommunalen Selbstverwaltung, sowie die Daten des Wirtschaftens des öffentlichen Rundfunks als öffentliche Daten qualifiziert. Im vorigen Jahr wurde auch gesetzlich garantiert, dass die Daten bezüglich der Verwaltung der öffentlichen Gelde und des Gemeinbesitzes auch im Wirtschaftsbereich nicht verborgen werden können. Die Einführung des Begriffs die „aus allgemeinem Interesse öffentliche Daten“ und die Ausarbeitung der entsprechenden Regelung kann in der Zukunft eine wichtige Sicherung der transparenten staatlichen Tätigkeit sein. Aus allgemeinem Interesse öffentliche Daten sind alle, nicht unter den Begriff der Daten von öffentlichem Interesse fallenden Daten, deren Veröffentlichung ein Gesetz im allgemeinen Interesse anordnet. Dieser Begriff erstreckt sich vor allem auf solche Geschäftsgeheimnisse, die u. a. Daten in Verbindung mit der Verwendung des Staatshaushalts ebenso der Förderungen der Europäischen Gemeinschaft, dem Besitz, der Nutzung bzw. der Verwertung von Vermögen des Staates und der Selbstverwaltungen beinhalten. Gemäß der diesbezüglichen Regulierung muss das Unternehmen, das mit einem Untersystem des Staatshaushalts eine Geschäftsbeziehung errichtet, auf Anfrage in Bezug auf die mit dem Rechtsverhältnis zusammenhängenden Daten eine Auskunft erteilen. Seit dem Inkrafttreten beruf sich der Datenschutzbeauftragte regelmäßig auf diesen Anordnungen, z.B. im Zusammenhang mit den Daten über die Auktionen und Verträge, deren Gegenstand einer sich im Besitz der kommunalen Selbstverwaltung befindenden Immobilie ist. Die privaten Interessen, als die Schranken der Informationsfreiheit, erscheinen in der Regulierung des Datenschutzes. Der Datenschutz gewährleistet die Verfügung über die eigenen personenbezogenen Daten, die gemäß der ungarischen Regulierung alle solchen Daten sind, die – kurz zu sagen – irgendwie mit einer bestimmten natürlichen Person in Verbindung gebracht werden können. Schon begrifflich sind persönliche Daten von den Daten von öffentlichem Interesse ausgeschlossen, und auf den Fall der Kollision der zwei Informationsgrundrechte garantiert das Gesetz ausdrücklich dem Schutz persönlicher Daten den Vorrang. Der Datenschutzbeauftragte bekräftigte oftmals in seinen Stellungnahmen, dass Daten von öffentlichem Interesse müssen anonymisiert zur Verfügung gestellt werden. Sowohl das Gesetz als auch die Praxis kennt aber Ausnahmen von dieser Regel. Nach dem Gesetz begrenzen die mit ihrem Aufgabenbereich zusammenhängenden personenbezogenen Daten der in der Kompetenz der betroffenen Organe vorgehenden Person den Zugang zu den Daten von öffentlichem Interesse nicht. Einige Daten sind trotz ihrer persönlichen Natur in jedem Fall für alle zugänglich. Diese Daten sind der Name, die Position oder die Einstufung und der Arbeitsbereich der in der Kompetenz der Organe vorgehenden Personen. Entsprechend der Rechtssprechung des Verfassungsgerichts zieht der Datenschutzbeauftragte die Privatsphäre (Privacy) der öffentlichen Akteure – vor allem der Personen, die eine öffentliche Macht ausüben – enger, als der anderen Bürger. In diesem Fall bevorzugt das Verfassungsgericht das Recht der Bürger zur Erfahrung der Daten von öffentlichem Interesse gegen dem Schutz solcher personenbezogenen Daten, die zu der Erfüllung der öffentlichen Tätigkeit bedeutend sind. Es ist eine unentbehrliche Bedingung nicht nur der Erörterung der öffentlichen Angelegenheiten, sondern auch der Beurteilung der Tätigkeit der staatlichen Organe und der Begründung des öffentlichen Vertrauens. Vor dieser Verfassungsauslegung entschied der Datenschutzbeauftragte, dass die Angaben des Gehalts von dem Präsident der Ungarischen Nationalbank, der Summe der für die Abgeordneten bestimmten Pauschalkostenerstattung, des Fehlens der Abgeordneten, oder der Summe der Belohnung der Minister für alle zugänglich sind. Mit der Mitteilung des Namenverzeichnisses von denen, die für die Marktbedingungen viel günstigeren Bedingungen Kredit von einer sich im Staatsbesitz befindenden Bank bekommen hatten, begingen aber der Redakteur und die Journalisten einer Tageszeitung nach den geltenden Rechtsvorschriften eine Rechtswidrigkeit. Aus diesen Fällen ist zu schließen, dass bei der Kollision des Schutzes der Privatsphäre und der Informationsfreiheit ist es immer schwer zu bestimmen, wer eigentlich als öffentlicher Akteur angesehen werden kann, und welche von seinem persönlichen Daten zu publizieren sind. 4. Derzeit wird die Gesetzänderung, die für die Gewährleistung der elektronischen Informationsfreiheit nötig ist, vorbereitet. Elektronische Informationsfreiheit bedeutet vor allem die breite pro-aktive Pflicht der Staat, die Daten von öffentlichem Interesse in elektronischer Form am Internet und anderen digitalen Netzen zu veröffentlichen, aber auch die ausdrückliche Möglichkeit, die Anträge an elektronischem Weg einzureichen. Diese Möglichkeiten können die tatsächliche Verwirklichung der Informationsfreiheit wesentlich fördern. |