EuG: Öffentlicher Zugang zu Dokumenten in Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten Drucken

URTEIL DES GERICHTS (Große Kammer)

12. September 2007

„Zugang zu Dokumenten – Von der Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereichte Schriftsätze – Entscheidung, mit der der Zugang verweigert wird“

In der Rechtssache T‑36/04

Association de la presse internationale ASBL (API) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Völcker, F. Louis und J. Heithecker,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und P. Aalto als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 20. November 2003 über die Ablehnung eines Antrags der Klägerin auf Zugang zu Schriftsätzen, die die Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereicht hat,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf, der Richter M. Jaeger, J. Pirrung, M. Vilaras und H. Legal, der Richterinnen M. E. Martins Ribeiro, E. Cremona und I. Pelikánová, des Richters D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter N. Wahl, M. Prek und V. Ciucă,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Art. 255 EG bestimmt:

„(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen sind.

(2) Die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechts auf Zugang zu Dokumenten werden vom Rat binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam gemäß dem Verfahren des Artikels 251 festgelegt.

…“

2 Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) legt die Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen für das Recht aus Art. 255 EG auf Zugang zu Dokumenten dieser Organe fest. Die Verordnung gilt seit dem 3. Dezember 2001.

3 Die Erwägungsgründe 2 und 4 der Verordnung lauten:

„(2) Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6 [EU] und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind.

(4) Diese Verordnung soll dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit verschaffen und gemäß Artikel 255 Absatz 2 [EG] die allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen dafür festlegen.“

4 Art. 2 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 sieht vor:

„(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe.

(3) Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden.“

5 Nach Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 versteht man unter einem Dokument „Inhalte …, die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“.

6 Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt hinsichtlich der Ausnahmen vom Zugangsrecht:

„…

(2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

– …

– der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung,

– der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,

es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

(6) Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.

(7) Die Ausnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 3 gelten nur für den Zeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist …“

7 Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 lautet:

„Anträge auf Zugang zu einem Dokument sind in schriftlicher, einschließlich elektronischer, Form in einer der in Artikel 314 [EG] aufgeführten Sprachen zu stellen und müssen so präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben.“

8 Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 kann „[i]m Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung … der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen“.

9 Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 betreffend die Behandlung von Zweitanträgen sieht vor:

„(1) Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt, Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel 230 [EG] bzw. 195 [EG].

(2) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

10 Die Association de la presse internationale ASBL (API) ist eine nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Organisation ausländischer Journalisten aller Sparten und Fachrichtungen mit Sitz in Belgien. Sie verfolgt das Ziel, ihre Mitglieder bei der Berichterstattung über die Europäische Union in ihren Heimatländern zu unterstützen.

11 Mit Schreiben vom 1. August 2003 beantragte die API bei der Kommission nach Art. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zu allen Schriftstücken, die die Kommission in den folgenden Rechtssachen beim Gericht oder Gerichtshof eingereicht hat:

– Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01;

– MyTravel/Kommission, T‑212/03;

– Airtours/Kommission, T‑342/99;

– Kommission/Österreich, C‑203/03;

– Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑466/98, Kommission/Dänemark, C‑467/98, Kommission/Schweden, C‑468/98, Kommission/Finnland, C‑469/98, Kommission/Belgien, C‑471/98, Kommission/Luxemburg, C‑472/98, Kommission/Österreich, C‑475/98, und Kommission/Deutschland, C‑476/98 (im Folgenden: „Open skies“-Rechtssachen);

– Köbler, C‑224/01;

– Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00.

12 Mit Schreiben vom 27. August 2003 teilte die Kommission der API mit, dass der Antrag in Bezug auf die Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03, verfrüht sei, und bat sie außerdem, zu präzisieren, ob sich ihr Antrag nur auf die Schriftsätze oder auch auf die dazugehörigen Anlagen beziehe. Mit demselben Schreiben wies die Kommission die API darauf hin, dass die vorgeschriebene Antwortfrist um 15 Werktage verlängert werden müsse, da ihr Antrag auf Zugang zu den Dokumenten Grundsatzfragen aufwerfe. Mit Schreiben vom 29. August 2003 stellte die API klar, dass sich ihr Antrag nur auf die Schriftsätze der Kommission ohne deren Anlagen beziehe.

13 Mit Schreiben vom 17. September 2003 gewährte die Kommission Zugang zu den Dokumenten der Rechtssachen C‑224/01 und C‑280/00. Hingegen wurde der Zugang zu den Dokumenten der Rechtssachen T‑209/01 und T‑210/01, T‑342/99 und C‑203/03 sowie der „Open skies“-Rechtssachen verweigert.

14 Mit Schreiben vom 6. Oktober 2003 reichte die API gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag für die Dokumente ein, zu denen die Kommission den Zugang verweigert hatte. Nachdem die Kommission die Frist mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 verlängert hatte, antwortete sie auf den Zweitantrag mit Entscheidung vom 20. November 2003, mit der sie die Verweigerung des Zugangs zu den fraglichen Dokumenten bestätigte (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

15 Erstens führte die Kommission zur Weigerung, Zugang zu ihren Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01, zu gewähren, in der angefochtenen Entscheidung aus, die Freigabe ihrer Schriftsätze beeinträchtige ihre Position als Beklagte in diesen Verfahren, da diese Rechtssachen noch anhängig seien. Wie der Gemeinschaftsrichter festgestellt habe (Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998, Svenska Journalistförbundet/Rat, T‑174/95, Slg. 1998, II‑2289), hätten die Parteien nach dem allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege das Recht, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten. Da die Dokumente, zu denen die Klägerin Zugang begehre, ausschließlich für die beiden fraglichen Verfahren erstellt worden seien, fielen sie unter die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren (Urteil des Gerichts vom 7. Dezember 1999, Interporc/Kommission, T‑92/98, Slg. 1999, II‑3521, im Folgenden: Urteil Interporc II). Außerdem könne die Tatsache, dass sie Zugang zu ihren Erklärungen in der Rechtssache Köbler, C‑224/01, gewährt habe, nicht als Präzedenzfall herangezogen werden, da das Verfahren abgeschlossen gewesen sei, obwohl die Rechtssache noch anhängig gewesen sei, und es sich um ein Vorabentscheidungsverfahren gehandelt habe, das mit Direktklagen nicht vergleichbar sei. Die Tatsache selbst, dass Zugang zu den genannten Erklärungen gewährt worden sei, zeige ferner, dass der Antrag der API Dokument für Dokument geprüft worden sei.

16 Zweitens wies die Kommission hinsichtlich der Weigerung, Zugang zu den Dokumenten der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, darauf hin, dass das Urteil des Gerichts vom 6. Juni 2002 (Slg. 2002, II‑2585), mit dem diese Rechtssache abgeschlossen worden sei, eine Schadensersatzklage gegen die Kommission nach sich gezogen habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03), in deren Rahmen das Vorbringen der Kommission in der Rechtssache T‑342/99 zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung erörtert werde. Die beiden Rechtssachen seien eng miteinander verknüpft, und die Freigabe der von der Klägerin angeforderten Schriftsätze beeinträchtige das Verfahren in der anhängigen Rechtssache.

17 Drittens führte die Kommission zur Weigerung, den Zugang zu Dokumenten der Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03, zu gewähren, aus, dass die Rechtssache anhängig sei und die Freigabe ihrer Schriftsätze ihre Position vor dem Gerichtshof und gegenüber den österreichischen Behörden beeinträchtigen würde. Daher gelte die für die Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01, gegebene Begründung auch für diese Rechtssache. Zudem müsse sie den Zugang zu allen Dokumenten eines Vertragsverletzungsverfahrens verweigern, wenn die Freigabe den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen würde, der, wie das Gericht im Urteil vom 11. Dezember 2001, Petrie u. a./Kommission (T‑191/99, Slg. 2001, II‑3677), festgestellt habe, darin bestehe, eine gütliche Beilegung des Streits zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat zu erreichen. Auch wenn es in jenem Urteil um die Verweigerung des Zugangs zu Mahnschreiben und mit Gründen versehenen Stellungnahmen gegangen sei, habe das Gericht nicht entschieden, dass die Verweigerung des Zugangs zum Schutz des Zwecks, eine gütliche Beilegung des Streits zu erreichen, auf diese Kategorie von Dokumenten beschränkt sei, so dass die Rechtfertigung, auf die diese Verweigerung gestützt worden sei, ebenso für die beim Gerichtshof eingereichten Schriftsätze gelte, da das Vorbringen zum Nachweis der Vertragsverletzungen gleich sei.

18 Was, viertens, die Weigerung angehe, Zugang zu ihren Schriftsätzen in den „Open skies“-Rechtssachen zu gewähren, seien die betreffenden Mitgliedstaaten, obwohl die zu diesen Rechtssachen gehörenden Vertragsverletzungsverfahren durch die Urteile des Gerichtshofs vom 5. November 2002 abgeschlossen worden seien, den Urteilen noch nicht nachgekommen, so dass noch immer Verhandlungen mit dem Ziel geführt würden, dass diese Mitgliedstaaten die vom Gerichtshof festgestellte Zuwiderhandlung beendeten. Aus diesem Grund würde die Freigabe der von ihr in diesen Rechtssachen eingereichten Schriftsätze den Schutz des Zwecks der Untersuchung dieser Vertragsverletzungen beeinträchtigen.

19 Nach einem Hinweis darauf, dass Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimme, dass der Zugang zu verweigern sei, „es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“, stellte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung, fünftens, fest, dass die API mit ihrem Vorbringen nicht nachgewiesen habe, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe der fraglichen Dokumente das öffentliche Interesse an einem angemessenen Schutz der anhängigen Gerichtsverfahren und Untersuchungen in Vertragsverletzungsfällen überwiege. Dem öffentlichen Interesse sei am besten gedient, wenn der ordnungsgemäße Ablauf der Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter gewährleistet werde und ihre Untersuchungsbefugnisse bewahrt würden.

20 Schließlich sei es, sechstens, nicht möglich, teilweise Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren, da deren sämtliche Teile eng miteinander verknüpft seien und von den genannten Ausnahmen erfasst würden.

Verfahren und Anträge der Parteien

21 Mit Klageschrift, die am 2. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

22 Am 9. November 2006 hat das Gericht nach Anhörung der Parteien beschlossen, die vorliegende Rechtssache an die Große Kammer des Gerichts zu verweisen.

23 Das Gericht (Große Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

24 Die Parteien haben in der Sitzung vom 28. Februar 2007 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25 Die Klägerin beantragt,

– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26 Die Kommission beantragt,

– die Klage als unbegründet abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

27 Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen die Art. 2 und 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend. Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Der erste Teil betrifft die auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützte Zugangsverweigerung. Der zweite Teil betrifft die auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützte Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten.

Zur auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten

Vorbringen der Parteien

28 Die Klägerin macht als Erstes nach Hinweis darauf, dass ihr Zugangsantrag in den Anwendungsbereich des Art. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 falle, der den Grundsatz des möglichst umfassenden Zugangs zu Dokumenten der Organe aufstelle, geltend, dass die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren keinen generellen Ausschluss der Schriftsätze der Kommission vom Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten rechtfertigen könne.

29 Hierzu trägt sie erstens vor, dass diese Ausnahme, wonach der Zugang zu einem Dokument nur verweigert werden könne, wenn durch dessen Freigabe Gerichtsverfahren „beeinträchtigt würde[n]“, eng auszulegen sei. Ein Vergleich zwischen der Verordnung Nr. 1049/2001 und der vorherigen Regelung, dem Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58), mit dem der vom Rat und der Kommission am 6. Dezember 1993 verabschiedete Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. 1993, L 340, S. 41, im Folgenden: Verhaltenskodex von 1993) formell erlassen wurde, ergebe, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bewusst dafür entschieden habe, die Ausnahme für Gerichtsverfahren einzuschränken. Während nämlich der Verhaltenskodex von 1993 die Möglichkeit vorgesehen habe, Dokumente vom Zugang auszunehmen, wenn sich durch deren Freigabe in Bezug auf die Rechtspflege „eine Beeinträchtigung ergeben könnte“, spreche die Verordnung Nr. 1049/2001 von Dokumenten, durch deren Freigabe Gerichtsverfahren „beeinträchtigt würde[n]“. Im Verhaltenskodex von 1993 sei im Gegensatz zur Verordnung Nr. 1049/2001 außerdem nicht die Möglichkeit vorgesehen gewesen, dass ein höheres öffentliches Interesse das Interesse am Schutz von Gerichtsverfahren überwiegen könne.

30 Der beschränkte Zweck der Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gehe ferner aus dem elften Erwägungsgrund hervor, in dem der Grundsatz aufgestellt werde, dass alle Dokumente der Organe für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollten, sowie aus der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (KOM [2000] 30 endg. – COD 2000/0032, Abschnitt 5), in der darauf hingewiesen werde, dass die Ausnahmen nur zum Schutz klar definierter spezifischer Interessen Anwendung fänden. Eine generelle Weigerung, den Zugang zu einer ganzen Kategorie von Dokumenten zu gewähren, sei daher nicht zulässig, da das betreffende Organ die Pflicht habe, für jedes angeforderte Dokument nachzuweisen, dass seine Freigabe den Schutz eines der in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten spezifischen Interessen so schwer beeinträchtige, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe nie überwiege.

31 Zweitens vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Freigabe von Schriftsätzen, die die Kommission bei den Gemeinschaftsgerichten eingereicht habe, keineswegs den Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtige, weil sie weder zu einer unzulässigen Beeinflussung durch die Öffentlichkeit noch zu einer Beeinträchtigung der Ausgewogenheit der Verhandlungen vor dem Gemeinschaftsrichter in der Weise führten, dass das Funktionieren des gerichtlichen Verfahrens beeinträchtigt würde. Jedenfalls genüge eine so allgemeine Begründung wie diejenige in der angefochtenen Entscheidung dem nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erforderlichen Kriterium des schweren und konkreten Schadens nicht.

32 Zudem sei das Interesse der Öffentlichkeit an der Arbeit der Gerichte, die sich mit wichtigen politischen Problemen beschäftigten, in jedem auf den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit aufgebauten System gesund und natürlich, und die Gemeinschaftsgerichte hätten dieses Phänomen selbst gefördert und unterstützt, indem sie der breiten Öffentlichkeit einen immer größeren Teil der Informationen über anhängige Verfahren über ihre Internetseite oder ihren Pressedienst zugänglich gemacht hätten. Im Übrigen seien die mündlichen Verhandlungen öffentlich und der Sitzungsbericht vom Tag der mündlichen Verhandlung an der Öffentlichkeit zugänglich.

33 Es sei daher nicht zu erkennen, wie die Freigabe der Schriftstücke der Kommission den ordnungsgemäßen Ablauf der Gerichtsverfahren, auf die sich diese Schriftstücke bezögen, erheblich beeinträchtigen könne. Eine Veröffentlichung der Schriftstücke habe im Gegenteil einen positiven Effekt, weil eine umfassende Unterrichtung der Öffentlichkeit die Unparteilichkeit der Gemeinschaftsrichter beweise, was die Akzeptanz ihrer Entscheidungen durch die Öffentlichkeit erhöhe. Zudem machten die Gerichte einiger Staaten und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insbesondere in den Rechtssachen, an denen staatliche Stellen beteiligt seien, die Dokumente aus den Gerichtsverfahren zugänglich, wobei sie Ausnahmen vom Prinzip der Transparenz vorsähen, z. B. zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und zur Achtung des Privatlebens. Keines dieser Gerichte habe angenommen, dass das Prinzip der Transparenz der Effizienz des gerichtlichen Verfahrens und der geordneten Rechtspflege schaden könne.

34 Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Freigabe von bei den Gemeinschaftsgerichten eingereichten Schriftsätzen der Kommission im öffentlichen Interesse liege, weil dadurch die Meinung der Kommission zu grundsätzlichen Fragen der Auslegung des Vertrags und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts verbreitet werden könnte. Im Bereich des Wettbewerbsrechts z. B. sei eine solche Verbreitung insbesondere im Hinblick auf die Stellungnahmen von Vorteil, die die Kommission gegebenenfalls gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) gegenüber nationalen Gerichten abzugeben habe. Auch wenn ferner die mündlichen Verhandlungen vor den Gemeinschaftsgerichten öffentlich seien und eine Zusammenfassung des Parteivorbringens am Tag der mündlichen Verhandlung verfügbar sei, sei das Bild der behandelten Rechtssachen unvollständig, was die Journalisten daran hindere, genau und ausführlich zu informieren. Der einzige Weg, eine angemessene Transparenz zu gewährleisten, sei daher die Freigabe der von der Kommission eingereichten Schriftstücke.

35 Viertens trägt die Klägerin vor, dass die Kommission ihre Weigerung nicht auf den derzeitigen Stand der Rechtsprechung zu dieser Frage stützen könne, da es in den Urteilen Svenska Journalistförbundet/Rat und Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, um den Verhaltenskodex von 1993 gegangen sei, während die Verordnung Nr. 1049/2001 enger auszulegen sei. Das Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat habe einen Sonderfall betroffen, da die fragliche Vereinigung eine kommentierte Version der Klagebeantwortung des Rates über das Internet verbreitet und die Öffentlichkeit dazu aufgefordert habe, eigene Anmerkungen direkt an die Bediensteten des Rates zu senden, deren Telefon- und Telefaxnummern angegeben gewesen seien, während die API, die an keinem der fraglichen Verfahren beteiligt sei, nicht vorhabe, in dieser Weise vorzugehen. Auch das Urteil Interporc II sei nicht einschlägig, da die Feststellung des Gerichts in Randnr. 40 des Urteils, der Schutz des öffentlichen Interesses stehe einer Weitergabe des Inhalts von Dokumenten entgegen, die die Kommission nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt habe, ein bloßes obiter dictum gewesen sei, während es in jener Rechtssache um die Frage gegangen sei, ob der Zugang zu Dokumenten, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erstellt worden seien, mit der Begründung habe verweigert werden können, dass sie im Zusammenhang mit einem bestimmten Gerichtsverfahren gestanden hätten. Das Gericht habe außerdem entschieden, dass die fragliche Ausnahme „zum einen die Arbeit innerhalb der Kommission und zum anderen die Vertraulichkeit und die Wahrung des Grundsatzes der beruflichen Schweigepflicht der Rechtsanwälte gewährleisten“ solle (Urteil Interporc II, Randnr. 41).

36 Eine solche Auslegung der Ausnahme für Gerichtsverfahren behindere den Zugang der Öffentlichkeit zu Schriftsätzen der Kommission nicht, da diese Schriftsätze nicht als interne und vertrauliche Dokumente angesehen würden, sondern im Gegenteil den Gerichten und den gegnerischen Parteien in den betreffenden Rechtssachen übermittelt würden. Die Feststellung in Randnr. 40 des Urteils Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, sei später vom Gerichtshof bestätigt worden, der entschieden habe, das Gericht habe im Urteil vom 19. März 1998, van der Wal/Kommission (T‑83/96, Slg. 1998, II‑545, Randnr. 50), die Ausnahme rechtsirrig dahin ausgelegt, dass sie die Kommission verpflichte, den Zugang zu den von ihr allein für ein Gerichtsverfahren erstellten Dokumenten zu verweigern (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Januar 2000, Niederlande und van der Wal/Kommission, C‑174/98 P und C‑189/98 P, Slg. 2000, I‑1, Randnr. 30).

37 Nach Ansicht der Klägerin folgt daraus, dass die Gemeinschaftsrechtsprechung auf diesem Gebiet nicht so ausgelegt werden könne, wie die Kommission meine, und dass Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 keinen generellen Ausschluss der Schriftsätze der Organe vom Grundsatz des freien Zugangs zu Gemeinschaftsdokumenten rechtfertige.

38 Als Zweites wendet sich die Klägerin gegen die angefochtene Entscheidung, weil die Kommission unter Berufung auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren die Freigabe von Schriftsätzen mit der Begründung verweigert habe, dass die Rechtssache, auf die sie sich bezögen, oder eine damit im Zusammenhang stehende Rechtssache noch immer anhängig gewesen sei.

39 Eine so starke Einschränkung der fraglichen Ausnahme sei nicht gerechtfertigt, denn sie verstoße gerade in den Fällen, in denen aufgrund des Fehlens eines Urteils oder Sitzungsberichts das öffentliche Interesse an der Freigabe der Schriftsätze am größten sei, erheblich gegen den Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten. Die Verweigerung des Zugangs sei noch unverständlicher bei Dokumenten eines bereits abgeschlossenen Verfahrens, wie dies bei der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, der Fall sei, das aber einen Zusammenhang mit einem anderen, noch anhängigen Verfahren aufweise. Die Kommission habe nämlich nicht erklärt, inwiefern die Freigabe der Schriftsätze der abgeschlossenen Rechtssache dem anhängigen Verfahren schade, wo doch die klagende Partei in den beiden Rechtssachen dieselbe sei und diese deshalb das Vorbringen der Kommission in ihren Schriftsätzen aus der ersten Rechtssache kenne.

40 Die Kommission trägt einleitend vor, dass sie entgegen der Behauptung der Klägerin sich dieser gegenüber weder „pauschal“ geweigert habe, ihren Antrag zu bearbeiten, noch, eine ganze Kategorie von Dokumenten freizugeben. Zwar seien ihre Verfahrensschriftstücke vor den Gemeinschaftsgerichten als solche nicht von der Freigabe ausgenommen, da die Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten eng auszulegen seien. Greife jedoch eine Ausnahme ein, sei sie zu beachten, so dass sie, wenn durch die Freigabe eines Dokuments der Schutz von Gerichtsverfahren oder Untersuchungen beeinträchtigt „würde“, das Dokument nicht freigeben dürfe. Der Gebrauch des Konditionals (würde), der einen Wertungsspielraum belasse, bedeute, dass ein negativer Effekt eintreten könne, und nicht, dass absolut sicher sein müsse, dass ein solcher Effekt eintreten werde.

41 Zur Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren führt die Kommission als Erstes aus, dass jedes nationale und internationale Rechtssystem eine ihm eigene Vorgehensweise für den Umgang mit einem Gericht vorgelegten Verfahrensschriftstücken festlege. Wie die Klägerin selbst vorgetragen habe, gewährleisteten die europäischen Gerichte ein sehr hohes Maß an Transparenz, da, abgesehen davon, dass jede Rechtssache Gegenstand einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union sei, die eine Zusammenfassung der mit der Klage geltend gemachten Klagegründe und wesentlichen Argumente enthalte, die mündliche Verhandlung öffentlich sei und das Vorbringen der Parteien im Sitzungsbericht zusammengefasst und in den Schlussanträgen des Generalanwalts und im Urteil wiedergegeben und geprüft werde.

42 Sie sei zum Schutz von Gerichtsverfahren verpflichtet, die von jedem einzelnen Gericht dafür angewandte Vorgehensweise zu berücksichtigen. Weder der Gerichtshof noch das Gericht veröffentlichten aber die bei ihnen eingereichten Verfahrensschriftstücke, und beim Gericht werde der Zugang Dritter zu den Akten streng kontrolliert gemäß Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts vom 3. März 1994 (ABl. L 78, S. 32) in der zuletzt am 5. Juni 2002 (ABl. L 160, S. 1) geänderten Fassung, wonach „[k]eine dritte Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts … ohne ausdrückliche, nach Anhörung der Parteien erteilte Genehmigung des Präsidenten die Akten der Rechtssache oder die Verfahrensvorgänge einsehen“ und „[d]iese Genehmigung … nur auf schriftlichen Antrag erteilt werden [kann], dem eine eingehende Begründung für das berechtigte Interesse an der Akteneinsicht beizufügen ist“. Im Übrigen schreibe die Verordnung Nr. 1049/2001 den Gerichten nicht vor, wie sie die vor ihnen stattfindenden Verfahren zu führen hätten. Der Gerichtshof habe hierzu festgestellt, dass es für die Vertraulichkeit von Verfahrensschriftstücken und für die Frage, ob die Verfahrensbeteiligten sie Dritten übermitteln könnten, keinen allgemeinen Grundsatz gebe, und er habe betont, dass besondere Erwägungen gälten, wenn „die Verbreitung eines Schriftstücks die ordnungsgemäße Rechtspflege beeinträchtigen könnte“ (Beschluss des Gerichtshofs vom 3. April 2000, Deutschland/Parlament und Rat, C‑376/98, Slg. 2000, I‑2247, Randnr. 10).

43 Das Gericht habe den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege, dass die Parteien das Recht hätten, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten, bestätigt und auf Verfahrensschriftstücke angewandt (Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 136). Die Tatsache, dass die anhängigen Rechtssachen der Öffentlichkeit bekannt seien, dürfe nicht mit dem Recht der Parteien verwechselt werden, ihr schriftliches Vorbringen nicht der Öffentlichkeit preiszugeben.

44 Das öffentliche Interesse verlange nicht die Freigabe aller Verfahrensschriftstücke, die sich sogar als kontraproduktiv erweisen könne, da der schriftliche Dialog zwischen den Parteien Gefahr laufe, sich in eine öffentliche Debatte zu verwandeln, in der Druck auf die mit einer Rechtssache befassten Bediensteten ausgeübt werden könne, und die Stichhaltigkeit bestimmter Argumente könne anderem Druck von außen ausgesetzt sein. Die Notwendigkeit, die Ausgewogenheit der Verhandlung zu schützen, wiege also schwerer als die Notwendigkeit, dass die Journalisten ausreichend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet seien. Eine systematische Freigabe könne zudem ein ungünstiges Ungleichgewicht zwischen den Organen und allen oder einigen anderen Verfahrensbeteiligten herbeiführen, die nicht verpflichtet seien, unter denselben Bedingungen, wie sie für die Organe gälten, Zugang zu ihren Schriftsätzen zu gewähren.

45 Die Kommission trägt als Zweites vor, dass sie, wenn bei ihr Zugang im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 beantragt werde, zunächst prüfe, ob das Verfahren, auf das sich das angeforderte Dokument beziehe, das Stadium der mündlichen Verhandlung erreicht habe, und dann, ob nach dem Vorstehenden der Schutz von Gerichtsverfahren die Verweigerung des Zugangs zu diesem Dokument erfordere. In dieser Weise habe sie sich geweigert, ihre Schriftsätze in den Rechtssachen General Electric/Kommission, T‑210/01, und Honeywell/Kommission, T‑209/01, die vor dem Gericht anhängig gewesen seien, freizugeben.

46 Es könne auch Gründe dafür geben, den Zugang zu einem Dokument nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder nach Verkündung des Urteils zu verweigern, wenn es sich als notwendig erweise, die Formulierung eines schriftlichen Vorbringens zu schützen, die mit derjenigen übereinstimme, die in einer damit im Zusammenhang stehenden noch anhängigen Rechtssache verwendet werde. Die Weigerung, Zugang zu den Schriftsätzen in der bereits durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossenen Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, sei auf einen solchen Grund gestützt, da dieselbe Klägerin anschließend eine Schadensersatzklage erhoben habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03), die noch immer anhängig sei. Der Zusammenhang zwischen den beiden Rechtssachen bestehe darin, dass einige der im Rahmen der Nichtigkeitsklage vorgetragenen Argumente ebenfalls im Rahmen der Schadensersatzklage erörtert werden könnten.

47 Hinsichtlich der Abwägung der beteiligten Interessen ist die Kommission der Auffassung, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse, das die Freigabe der angeforderten Dokumente rechtfertige, für keine Art von Dokumenten von vornherein angenommen werden könne, sondern immer unter Berücksichtigung der anderen beteiligten Interessen im Einzelfall nachgewiesen werden müsse. Das überwiegende öffentliche Interesse, ein Begriff, der in der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht definiert worden sei, könne erst dann Berücksichtigung finden, wenn nachgewiesen sei, dass eine der Ausnahmen eingreife.

48 Würde ferner die Ausnahme des überwiegenden öffentlichen Interesses, die eine Ausnahme von einer Ausnahme sei, systematisch angewandt, um die Freigabe von Schriftstücken in jedem Verfahrensstadium zu rechtfertigen, führe dies dazu, dass der Ausnahme für Gerichtsverfahren jede praktische Wirksamkeit genommen würde. Bei der Abwägung der beteiligten Interessen müsse ebenfalls berücksichtigt werden, dass die Öffentlichkeit bereits über eine Rechtssache informiert worden sei, zuerst im Stadium der Klageerhebung (Veröffentlichung der wesentlichen Klagegründe und des wesentlichen Vorbringens der klagenden Partei im Amtsblatt) und dann durch den Sitzungsbericht. Bezüglich der von der Klägerin in der vorliegenden Rechtssache angeforderten Dokumente habe die Kommission angenommen, dass dem öffentlichen Interesse mit der Wahrung des ordnungsgemäßen Ablaufs der fraglichen Gerichtsverfahren am besten gedient sei.

49 Die Tatsache, dass die Klägerin an keinem der Verfahren, auf die sich die Dokumente, deren Freigabe beantragt worden sei, bezögen, beteiligt sei und dass weder sie noch ihre Mitglieder die Absicht hätten, Druck auf die Kommission auszuüben, nehme dem Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt, nichts von seiner Relevanz. In Randnr. 138 des Urteils habe das Gericht den Zweck der Freigabe der Verfahrensschriftstücke in jener Rechtssache nämlich für missbräuchlich erklärt. Da die Freigabe eines Dokuments bestätige, dass es frei verbreitet werden könne, stelle das Versprechen der Klägerin, keinen Druck auszuüben, nicht sicher, dass sich andere Angehörige der Öffentlichkeit ebenso verhielten.

50 Im Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt (Randnrn. 40 und 41), habe das Gericht festgestellt, dass die Kategorie von Dokumenten, auf die die Ausnahme für Gerichtsverfahren anwendbar sei, alle Dokumente erfasse, die von der Kommission nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt worden seien. Das Urteil Interporc II habe den Anwendungsbereich der Ausnahme für Gerichtsverfahren also festgelegt, ohne aber diese Dokumente als Kategorie vom Recht auf öffentlichen Zugang auszunehmen, und das Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt (Randnrn. 27 bis 30), habe bestätigt, dass es keine generelle Ausnahme für diese Dokumente gebe, die die Kommission dazu verpflichte, sie nicht freizugeben. Das Urteil Interporc II bleibe daher rechtlich relevant, und ihm hätte im vorliegenden Fall gefolgt werden müssen, da die Kommission keineswegs eine generelle Absage erteilt, sondern jedes einzelne Dokument geprüft habe.

Würdigung durch das Gericht

– Vorbemerkungen

51 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 insbesondere in Verbindung mit deren viertem Erwägungsgrund dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Organe befinden, größtmögliche Wirksamkeit verschaffen soll (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 61).

52 Aus dieser Verordnung, insbesondere dem elften Erwägungsgrund, Art. 1 Buchst. a und Art. 4, der ein System von Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten vorsieht, ergibt sich aber auch, dass dieses Recht aufgrund öffentlicher oder privater Interessen gleichwohl gewissen Einschränkungen unterliegt (Urteil Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 62).

53 Da diese Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (Urteil Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 63; Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/94, Slg. 2006, II‑2023, Randnr. 84; zum Verhaltenskodex von 1993 vgl. auch entsprechend Urteile des Gerichtshofs Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 27, und vom 6. Dezember 2001, Rat/Hautala, C‑353/99 P, Slg. 2001, I‑9565, Randnr. 25; Urteile des Gerichts vom 14. Oktober 1999, Bavarian Lager/Kommission, T‑309/97, Slg. 1999, II‑3217, Randnr. 39, und Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 66).

54 Nach ständiger Rechtsprechung muss außerdem die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung konkret sein. Zum einen kann nämlich der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme geschütztes Interesse betrifft, nicht ausreichen, um die Anwendung der Ausnahme zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 26. April 2005, Sison/Rat, T‑110/03, T‑150/03 und T‑405/03, Slg. 2005, II‑1429, Randnr. 75, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 115). Eine solche Anwendung kann grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Organ zuvor geprüft hat, ob erstens der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret hätte verletzen können und ob zweitens – in den Fällen des Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 – nicht ein höherrangiges öffentliches Interesse bestand, das die Freigabe des betreffenden Dokuments rechtfertigte. Zum anderen muss die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses vernünftigerweise absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein. Die Prüfung, die das Organ durchführen muss, um eine Ausnahme anzuwenden, muss daher konkret sein und aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen (Urteile des Gerichts vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, Slg. 2005, II‑1121, im Folgenden: Urteil VKI, Randnr. 69, sowie Franchet und Byk/Kommission, Randnr. 115).

55 Diese konkrete Prüfung muss für jedes im Antrag bezeichnete Dokument durchgeführt werden. Aus der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt sich nämlich, dass alle in ihrem Art. 4 Abs. 1 bis 3 genannten Ausnahmen auf das einzelne Dokument („zu einem Dokument“) anzuwenden sind (Urteile VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 70, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 116). Was ferner die zeitliche Anwendbarkeit dieser Ausnahmen betrifft, sieht Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, dass sie nur für den Zeitraum gelten, in dem der Schutz aufgrund des „Inhalts des Dokuments“ gerechtfertigt ist.

56 Daraus folgt, dass eine konkrete und individuelle Prüfung jedenfalls dann erforderlich ist, wenn – auch in den Fällen, in denen klar ist, dass ein Zugangsantrag von einer Ausnahme erfasste Dokumente betrifft – nur eine solche Prüfung es dem Organ ermöglicht, zu beurteilen, ob dem Antragsteller teilweiser Zugang nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt werden kann (Urteile VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 73, sowie Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 117). Im Rahmen der Anwendung dieser Verordnung hat das Gericht im Übrigen eine Prüfung von Dokumenten nach Kategorien statt nach den in diesen Dokumenten enthaltenen konkreten Informationen bereits für grundsätzlich unzureichend erachtet, da die Prüfung, zu der ein Organ verpflichtet ist, es ihm ermöglichen muss, konkret zu beurteilen, ob eine geltend gemachte Ausnahme auch tatsächlich für alle in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen gilt (Urteil VKI, Randnrn. 74 und 76; zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2000, JT’s Corporation/Kommission, T‑123/99, Slg. 2000, II‑3269, Randnrn. 46 bis 48).

57 Bei der Verpflichtung eines Organs, den Inhalt der in dem Zugangsantrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen, handelt es sich um eine grundsätzliche Verpflichtung (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 74 und 75), die bei allen in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Ausnahmen besteht, unabhängig davon, zu welchem Bereich die angeforderten Dokumente gehören. Da in der Verordnung keine Sonderregelung für die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren vorgesehen ist, erstreckt sich die grundsätzliche Verpflichtung auch auf diese Ausnahme.

58 Diese grundsätzliche Verpflichtung bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich ist. Da nämlich die konkrete und individuelle Prüfung, die das Organ grundsätzlich auf einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, es dem betreffenden Organ ermöglichen soll, zu beurteilen, inwieweit eine Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar ist und ob die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs besteht, kann eine solche Prüfung entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falls offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder im Gegenteil zu gewähren ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn bestimmte Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden oder aber offenkundig in vollem Umfang zugänglich sind oder wenn sie von der Kommission unter ähnlichen Umständen bereits konkret und individuell geprüft worden waren (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 75).

59 Als Zweites ist zur Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erstens festzustellen, dass sich aus der weiten Definition des Begriffs des Dokuments in Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie aus der Formulierung und dem bloßen Bestehen der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren ergibt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die gerichtliche Tätigkeit der Organe nicht vom Zugangsrecht der Bürger ausschließen wollte, sondern hierfür vorgesehen hat, dass sie die Freigabe von Dokumenten aus einem Gerichtsverfahren dann verweigern, wenn eine solche Freigabe das Verfahren, auf das sich die Dokumente beziehen, beeinträchtigen würde.

60 Zweitens hat das Gericht bereits entschieden, dass der Begriff der Gerichtsverfahren, der im Rahmen des Verhaltenskodex von 1993 dahin ausgelegt wurde, dass er die eingereichten Schriftsätze oder Dokumente, die internen Schriftstücke, die die Bearbeitung der anhängigen Rechtssache betreffen, und die Schriftwechsel über die Rechtssache zwischen der betroffenen Generaldirektion und dem Juristischen Dienst oder einer Rechtsanwaltskanzlei umfasst (Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 41), auch im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 gilt (vgl. Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 90). Die von der Kommission beim Gemeinschaftsrichter eingereichten Schriftsätze fallen also insofern in den Anwendungsbereich der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren, als sie ein geschütztes Interesse betreffen.

61 Drittens vermag der Umstand allein, dass alle Dokumente, die nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt wurden, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahme fallen (Urteile Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 40, sowie Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 88 und 89), und insbesondere die von den Organen eingereichten Schriftsätze, nicht die Anwendung der geltend gemachten Ausnahme zu rechtfertigen. Denn wie der Gerichtshof zum Verhaltenskodex von 1993 bereits entschieden hat, kann die dem Schutz des öffentlichen Interesses im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens dienende Ausnahme nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission ihretwegen verpflichtet ist, den Zugang zu allen von ihr allein für dieses Verfahren erstellten Dokumenten zu verweigern (Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 30).

62 Eine solche Auslegung ist im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 zwangsläufig geboten, zumal die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung im Vergleich zu der Ausnahme im Verhaltenskodex von 1993 enger formuliert ist. Zum einen ist nämlich die Weigerung, Zugang zu gewähren, im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 nur gerechtfertigt, wenn die Freigabe des betreffenden Dokuments das fragliche Interesse beeinträchtigen „würde“, und nicht, wie im Verhaltenskodex von 1993 vorgesehen, wenn sich durch die Freigabe in Bezug auf das Interesse „eine Beeinträchtigung ergeben könnte“. Das schließt mit ein, dass das betreffende Organ für jedes angeforderte Dokument zu prüfen hat, ob dessen Offenlegung nach den ihm vorliegenden Informationen tatsächlich geeignet ist, eines der durch die Ausnahmeregelung geschützten Interessen zu beeinträchtigen (zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Februar 1998, Interporc/Kommission, T‑124/96, Slg. 1998, II‑231, Randnr. 52, und JT’s Corporation/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 64). Zum anderen sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 selbst für den Fall, dass die Freigabe des angeforderten Dokuments den Schutz des fraglichen Gerichtsverfahrens beeinträchtigen würde, vor, dass der Zugang zu gewähren ist, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse dies rechtfertigt, was im Verhaltenskodex von 1993 nicht vorgesehen war.

63 Viertens soll die auf den Schutz von Gerichtsverfahren gerichtete Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten u. a. das Recht jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht wahren, das ein in Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) vorgesehenes Grundrecht und integraler Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist, deren Beachtung der Gemeinschaftsrichter sichert, wobei er sich an die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und an die Hinweise anlehnt, die insbesondere die EMRK liefert (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Mai 2006, Eurofood IFSC, C‑341/04, Slg. 2006, I‑3813, Randnr. 65, und vom 25. Januar 2007, Salzgitter Mannesmann/Kommission, C‑411/04 P, Slg. 2007, I‑0000, Randnrn. 40 und 41), sowie eine geordnete Rechtspflege gewährleisten. Diese Ausnahme erfasst also nicht nur die Interessen der Beteiligten in einem Gerichtsverfahren, sondern auch allgemein den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens.

64 Das Gericht hat daher im Licht der oben in den Randnrn. 51 bis 63 entwickelten Grundsätze zu prüfen, ob die Kommission dadurch, dass sie angenommen hat, dass die Verweigerung der Freigabe der von ihr in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, Kommission/Österreich, C‑203/03, und Airtours/Kommission, T‑342/99, eingereichten Schriftsätze von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren gedeckt wird, im vorliegenden Fall einen Fehler begangen hat.

– Zur Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen T‑209/01, T‑210/01 und C‑203/03

65 Hinsichtlich der im Zugangsantrag bezeichneten Dokumente ist als Erstes zu untersuchen, ob die Kommission den Inhalt jedes angeforderten Dokuments konkret geprüft hat, was die Klägerin unter Verweis auf die Allgemeinheit der für die Verweigerung des Zugangs geltend gemachten Rechtfertigung bestreitet.

66 Es ist festzustellen, dass aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervorgeht, dass die Kommission eine solche Prüfung vorgenommen hat. Sie hat in dieser Entscheidung nämlich für den Nachweis, dass die fraglichen Schriftsätze tatsächlich des Schutzes bedurften, weder auf deren Inhalt noch auf den besonderen Gegenstand jedes Verfahrens, aus dem die Schriftsätze stammten, Bezug genommen. Sie hat sich darauf beschränkt, in allgemeiner Form festzustellen, dass die Verweigerung des Zugangs zu Schriftsätzen aus laufenden Verfahren, an denen sie beteiligt sei, von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren gedeckt sei, weil die Freigabe dieser Schriftsätze ihre Position als Partei beeinträchtigen würde, indem sie sie der Gefahr von Druck von außen aussetze. Eine solche Rechtfertigung kann gleichermaßen für alle Schriftsätze der Kommission in anhängigen Verfahren gelten, an denen sie beteiligt ist.

67 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die allgemeine Form der Begründung für eine Zugangsverweigerung sowie ihre Kürze oder ihr stereotyper Charakter nur dann ein Indiz dafür sein können, dass keine konkrete Prüfung stattgefunden hat, wenn es objektiv möglich ist, die Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu jedem einzelnen Dokument anzugeben, ohne den Inhalt dieses Dokuments oder eines wesentlichen Bestandteils davon bekannt zu machen und damit die wesentliche Zweckbestimmung der Ausnahme zu verfehlen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2005, Sison/Rat, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 84; zum Verhaltenskodex von 1993 vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 5. März 1997, WWF UK/Kommission, T‑105/95, Slg. 1997, II‑313, Randnr. 65). Wie der Gerichtshof festgestellt hat, wird das an die Organe gerichtete Gebot, keine Informationen mitzuteilen, die mittelbar die Interessen beeinträchtigen würden, die mit den genannten Ausnahmeregelungen gerade geschützt werden sollen, u. a. durch Art. 9 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 unterstrichen (Urteil vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 83).

68 Das Fehlen einer konkreten Prüfung ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch aus den von der Kommission zur Rechtfertigung der Zugangsverweigerung angeführten Gründen, da sie keinerlei Bezug zum Inhalt der angeforderten Schriftsätze aufweisen. Das behauptete Erfordernis, die Vorgehensweise des Gemeinschaftsrichters für den Zugang Dritter zu Verfahrensvorgängen einzuhalten, sowie die Notwendigkeit, die Ausgewogenheit der Verhandlungen zu gewährleisten und jeglichen Druck auf ihre Bediensteten zu verhindern, die in der angefochtenen Entscheidung in keinen Zusammenhang mit der Art der betreffenden Informationen und/oder dem eventuell sensiblen Charakter des Verfahrensgegenstands gestellt wird, zeigen nämlich, dass nach Ansicht der Kommission eine konkrete Würdigung des Inhalts jedes angeforderten Schriftsatzes für die Entscheidung über den Zugangsantrag der Klägerin entbehrlich war.

69 Diesem Ergebnis steht nicht die Äußerung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung entgegen, die Gewährung des Zugangs zu den Erklärungen, die im noch vor dem Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahren Köbler, C‑224/01, eingereicht worden seien, beweise, dass der Antrag der API Dokument für Dokument geprüft worden sei. Denn dies zeigt nur, dass die Kommission nach der Art des gerichtlichen Verfahrens und dem jeweils erreichten Verfahrensstand unterschieden hat. Aufgrund einer solchen Unterscheidung hat sie Zugang zu den Erklärungen gewährt, die sie in dem Vorabentscheidungsverfahren eingereicht hatte, das durch das Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, Slg. 2003, I‑7747), abgeschlossen wurde, sowie zu denen, die in der noch vor dem Gerichtshof anhängigen Rechtssache Köbler (C‑224/01) eingereicht wurden, in der aber das mündliche Verfahren bereits beendet war, während sie den Zugang zu Schriftsätzen in noch vor den Gemeinschaftsgerichten anhängigen Klageverfahren verweigert hat.

70 Ferner hat die Kommission auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärt, wenn sie eine Entscheidung über einen Antrag auf Zugang zu in anhängigen Rechtssachen eingereichten Schriftsätzen treffe, sei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entscheidend, weil ihrer Ansicht nach diese Schriftstücke als Mindestschutz zumindest bis zu dem Tag vertraulich zu behandeln seien, an dem die Verhandlung vor Gericht stattfinde. Erst nach der mündlichen Verhandlung gebe es eine Zugangsvermutung und nehme sie – bei Vorabentscheidungsverfahren – eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der in den angeforderten Dokumenten enthaltenen Informationen und des sensiblen Charakters des Rechtsstreits vor. Bei Klageverfahren gehe sie hingegen davon aus, dass der Zugang bis zum Endurteil und bei miteinander im Zusammenhang stehenden anhängigen Rechtssachen bis zum Abschluss der jeweiligen verbundenen Rechtssache zu verweigern sei.

71 Aus dem Vorstehenden folgt nicht nur, dass die Kommission nicht jedes angeforderte Dokument konkret geprüft hat, sondern auch, dass sie der Meinung war, dass alle Schriftsätze, die sie in anhängigen Rechtssachen eingereicht hat, an denen sie beteiligt ist, automatisch und umfassend als von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erfasst anzusehen waren, ohne dass eine konkrete Prüfung erforderlich gewesen wäre.

72 Als Zweites ist zu untersuchen, ob die Kommission aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls von einer konkreten Prüfung des Inhalts der in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, eingereichten Schriftsätze absehen durfte. Hierfür ist zunächst zu klären, ob die fraglichen Dokumente alle zur selben Kategorie gehörten, so dass für sie dieselbe Rechtfertigung eingreift. Sollte dies bejaht werden, ist sodann zu prüfen, ob die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren, wie sie im vorliegenden Fall von der Kommission angewandt wurde, die Dokumente dieser Kategorie deshalb tatsächlich und vollständig erfasst, weil sie tatsächlich, wie geltend gemacht, des Schutzes bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 83 und 84).

73 Grundsätzlich hängt es von der Art der Informationen in den streitigen Dokumenten ab, ob ihre Freigabe ein geschütztes Interesse – im vorliegenden Fall den Schutz von Gerichtsverfahren – beeinträchtigen kann. Eine Beurteilung nach Kategorien setzt daher, um die voraussichtlichen Folgen der Freigabe für Gerichtsverfahren einschätzen zu können, voraus, dass die Dokumente der jeweiligen Kategorie gleichartige Informationen enthalten. Denn das Fehlen einer konkreten Prüfung kann nur gerechtfertigt werden, wenn offenkundig ist, dass die geltend gemachte Ausnahme tatsächlich auf alle in den angeforderten Dokumenten enthaltenen Informationen anwendbar ist (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 75).

74 Jedoch kann angesichts der besonderen Natur der Interessen, die, wie sich aus den Ausführungen oben in Randnr. 63 ergibt, von der fraglichen Ausnahme geschützt werden sollen, und aufgrund der Tatsache, dass die Dokumente, zu denen Zugang begehrt wurde, die Schriftsätze einer der Parteien des Verfahrens sind, nicht ausgeschlossen werden, dass die Nichtfreigabe für einen bestimmten Zeitraum aus Gründen, die nichts mit dem Inhalt jedes einzelnen angeforderten Dokuments zu tun haben, gerechtfertigt werden kann, vorausgesetzt, diese Gründe rechtfertigen, dass die fraglichen Dokumente in ihrer Gesamtheit geschützt werden müssen.

75 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass zum einen die Schriftsätze, zu denen Zugang begehrt wurde, von der Kommission als Partei in drei Klageverfahren verfasst wurden, die im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch anhängig waren. Daher kann jeder eine dieser drei Rechtssachen betreffende Schriftsatz als zur selben Kategorie gehörig angesehen werden, so dass die Zugangsverweigerung auf ein- und dieselbe Rechtfertigung gestützt werden konnte.

76 Zum anderen hat die Kommission die Verweigerung des Zugangs zu den in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, eingereichten Schriftsätzen im Wesentlichen auf die Notwendigkeit gestützt, ihre Position als Partei zu schützen, unabhängig davon, ob sie als Beklagte oder Klägerin auftrete, und sie hat geltend gemacht, dass deren Freigabe ein Ungleichgewicht zwischen ihr und den anderen Verfahrensbeteiligten schaffen könne, der Ausgewogenheit der Gerichtsverhandlungen schade und der Vorgehensweise des Gemeinschaftsrichters zuwiderlaufe. Es ist deshalb zu prüfen, ob diese Gründe die Annahme rechtfertigen, dass die Schriftsätze offenkundig in ihrer Gesamtheit von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erfasst waren.

77 Hierfür ist zu untersuchen, inwieweit die Tatsache eine Rolle spielt, dass die angefochtene Entscheidung zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, zu dem die fraglichen Schriftsätze noch nicht vor Gericht erörtert worden waren, und zwar vor dem Hintergrund, dass die Kommission den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für die Entscheidung über den Zugang zu den angeforderten Dokumenten für ein wesentliches Kriterium hält, weil die Zugangsverweigerung vor diesem Zeitpunkt unerlässlich sei, um zu verhindern, dass ihre Bediensteten Druck von außen, insbesondere seitens der Öffentlichkeit, ausgesetzt würden.

78 Es trifft zu, dass die Kommission durch die Freigabe ihrer Schriftsätze vor der mündlichen Verhandlung in die Situation versetzt werden könnte, sich Kritik und Einwänden gegen ihr Vorbringen in diesen Schriftsätzen von Fachkreisen, der Presse oder allgemein der öffentlichen Meinung stellen zu müssen. Über den etwaigen Druck auf ihre Bediensteten hinaus könnten die Kritik und die Einwände u. a. zur Folge haben, dass sie mit einer zusätzlichen Aufgabe belastet würde, da sie sich gezwungen sehen könnte, diese bei der Verteidigung ihrer Position vor Gericht zu berücksichtigen, während die Verfahrensbeteiligten, die nicht zur Freigabe ihrer Schriftsätze verpflichtet sind, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung vertreten können.

79 Der Grundsatz der Waffengleichheit – eines der Elemente des umfassenderen Begriffs des fairen Verfahrens – erfordert, dass jeder Partei eine vernünftige Möglichkeit geboten wird, ihren Standpunkt unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine deutlich nachteilige Position im Verhältnis zu ihrem Gegner versetzen (vgl. EGMR, Urteile Dombo Beheer BV/Niederlande vom 27. Oktober 1993, Serie A, Nr. 274, § 33, Ernst u. a./Belgien vom 15. Juli 2003, § 60, und Vezon/Frankreich vom 18. April 2006, § 31). Zwar vermag die Freigabe der eigenen Schriftsätze für sich allein das betreffende Organ nicht in eine deutlich nachteilige Position beim Vortrag seines Standpunkts vor Gericht zu versetzen, doch kann es für die Gewährleistung eines von jeder äußeren Beeinflussung freien Informations- und Meinungsaustauschs im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich sein, die Schriftsätze der Organe vom Zugang der Öffentlichkeit auszunehmen, solange das darin enthaltene Vorbringen nicht vor Gericht erörtert worden ist.

80 Wie das Gericht außerdem im Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt (Randnrn. 136 bis 138), festgestellt hat, haben die Parteien das Recht, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten. Das Gericht hat diese Erwägung zwar bei der Beurteilung des missbräuchlichen Gebrauchs angestellt, den eine Partei von der Klagebeantwortung der anderen Partei gemacht hatte, doch ist sie dahin zu verstehen, dass das Verfahren bis zur mündlichen Verhandlung vor jeder äußeren Beeinflussung zu schützen ist.

81 Ebenso wie die anderen Verfahrensbeteiligten muss nämlich die Kommission ihren Standpunkt geschützt vor jeder äußeren Beeinflussung vortragen und erörtern können, zumal der von ihr vertretene Standpunkt grundsätzlich bezweckt, die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Die Verwirklichung eines solchen Zwecks verlangt wegen der Natur der oben in Randnr. 63 genannten Interessen, die von der fraglichen Ausnahme geschützt werden sollen, dass ihre Schriftsätze nicht freigegeben werden, bevor sie nicht die Möglichkeit gehabt hat, sie in der mündlichen Verhandlung vor Gericht zu erörtern, und dass sie daher das Recht hat, sie wegen des eventuellen Drucks auf ihre Bediensteten, zu dem eine von ihrer Freigabe ausgelöste öffentliche Debatte führen könnte, vom Zugang der Öffentlichkeit auszunehmen, ohne dass hierfür eine konkrete Prüfung ihres Inhalts erforderlich wäre.

82 Somit ergibt sich, dass, wenn das Verfahren, auf das sich die Schriftsätze, zu denen Zugang begehrt wird, beziehen, noch nicht das Stadium der mündlichen Verhandlung erreicht hat, die Weigerung, diese Schriftsätze freizugeben, als alle darin enthaltenen Informationen umfassend anzusehen ist. Nach der mündlichen Verhandlung ist die Kommission hingegen verpflichtet, jedes angeforderte Dokument konkret daraufhin zu überprüfen, ob es angesichts seines besonderen Inhalts freigegeben werden kann oder ob seine Freigabe das Gerichtsverfahren, auf das es sich bezieht, beeinträchtigen würde.

83 Diesem Ergebnis steht das Vorbringen der Parteien zu dieser Frage nicht entgegen.

84 Erstens kann das Ergebnis, dass bis zur mündlichen Verhandlung die Schriftsätze allgemein und automatisch vom Zugangsrecht auszuschließen sind, nicht, wie die Klägerin vorträgt, dadurch in Frage gestellt werden, dass die Freigabe von Verfahrensvorgängen in einigen Mitgliedstaaten zugelassen und auch in Art. 40 Abs. 2 EMRK vorgesehen ist, der bestimmt, dass „[d]ie beim Kanzler verwahrten Schriftstücke … der Öffentlichkeit zugänglich [sind], soweit nicht der Präsident des Gerichtshofs anders entscheidet“. Die Reichweite dieser Bestimmung wird in Art. 33 der Verfahrensordnung des EGMR festgelegt, der in seinem Abs. 2 die Möglichkeit vorsieht, den Zugang zu einem Dokument aufgrund einiger öffentlicher oder privater Interessen, die genau bezeichnet werden, oder „– soweit der Kammerpräsident es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen die Öffentlichkeit von Unterlagen die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde“, zu verweigern.

85 Hierzu genügt die Feststellung, dass im Gegensatz zu diesen Bestimmungen die Verfahrensregelungen der Gemeinschaftsgerichte kein Recht Dritter auf Zugang zu den von den Verfahrensbeteiligten bei der Kanzlei eingereichten Verfahrensunterlagen vorsehen.

86 Zweitens kann das Ergebnis, dass der Inhalt der angeforderten Schriftsätze konkret geprüft werden muss, wenn sie sich auf eine Rechtssache beziehen, in der die mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat, nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt werden, sie müsse der Vorgehensweise des Gerichts folgen, bei dem die Rechtssache anhängig sei, so dass sie verpflichtet sei, bei anhängigen Rechtssachen, an denen sie beteiligt sei, den Zugang zu den angeforderten Schriftsätzen bis zum Endurteil zu verweigern.

87 Zwar trifft es zu, dass die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, was ihre Behandlung durch den Gemeinschaftsrichter angeht, grundsätzlich vertraulich sind. Art. 20 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs (im Folgenden: Satzung), der nach Art. 53 der Satzung auch für das Gericht gilt, verlangt nämlich nur deren Übermittlung an die Parteien und diejenigen Gemeinschaftsorgane, deren Entscheidungen Gegenstand des Verfahrens sind. Zudem sehen Art. 16 § 5 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 24 § 5 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts die Möglichkeit, Abschriften von Verfahrensschriftstücken zu erhalten, nur für die Parteien vor, und nach Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts erster Instanz ist der Zugang Dritter zu Verfahrensvorgängen vom Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig, das ordnungsgemäß zu rechtfertigen ist.

88 Diese Bestimmungen untersagen den Parteien jedoch nicht, ihre eigenen Schriftsätze freizugeben; der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass es weder einen Grundsatz noch eine Vorschrift gibt, wonach es den Parteien eines Verfahrens erlaubt oder untersagt wäre, ihre eigenen Schriftsätze Dritten zugänglich zu machen, abgesehen von Ausnahmefällen, in denen die Freigabe eines Schriftstücks die ordnungsgemäße Rechtspflege beeinträchtigen könnte, was in der fraglichen Rechtssache nicht der Fall war, und dass es den Parteien grundsätzlich freisteht, ihre eigenen Schriftsätze Dritten zugänglich zu machen (Beschluss Deutschland/Parlament und Rat, oben in Randnr. 42 angeführt, Randnr. 10). Diese Feststellung des Gerichtshofs schließt nicht nur das Bestehen eines absoluten Vertraulichkeitsgrundsatzes aus, sondern bedeutet auch, dass die Freigabe von Schriftsätzen aus anhängigen Rechtssachen nicht zwangsläufig den Grundsatz der geordneten Rechtspflege beeinträchtigt.

89 Diese Bestimmungen schreiben den Organen auch nicht vor, in Bezug auf die Anwendung der Regelungen über den Zugang zu Dokumenten der Vorgehensweise des Gerichts zu folgen, bei dem die Rechtssache anhängig ist, auf die sich die Dokumente beziehen, zu denen Zugang begehrt wird, da der Gerichtshof unter Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 bereits entschieden hat, dass sich aus dem Recht jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht nicht zwingend ergibt, dass allein das Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, befugt ist, den Zugang zu den fraglichen Verfahrensunterlagen zu gewähren, zumal die Risiken einer Gefährdung der Unabhängigkeit des Gerichts durch den Verhaltenskodex von 1993 und den auf Gemeinschaftsebene gewährten gerichtlichen Rechtsschutz gegenüber Entscheidungen der Kommission über die Gewährung des Zugangs zu den ihr vorliegenden Dokumenten hinreichend berücksichtigt werden (Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 17 und 19). Mangels dafür vorgesehener Sonderregelungen kommt es daher nicht in Betracht, den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1049/2001 mit dem Argument einzuschränken, dass die oben in Randnr. 87 genannten Verfahrensordnungen den Zugang Dritter nicht regelten und als lex specialis eingriffen (zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnrn. 37, 44 und 46).

90 Schließlich sind die einzigen Verfahrensbestimmungen, die den Parteien eine Freigabe verbieten, Art. 56 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 57 der Verfahrensordnung des Gerichts, wonach, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, der Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht veröffentlicht werden darf. Nach Art. 31 der Satzung ist die Verhandlung nämlich öffentlich, es sei denn, dass der Gerichtshof von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien aus wichtigen Gründen anders beschließt. Eine solche Bestimmung über den öffentlichen Charakter des Inhalts der mündlichen Verhandlung stellt die Anwendung eines Grundrechts dar, das in Art. 6 Abs. 1 EMRK niedergelegt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR (vgl. EGMR, Urteile Sutter/Schweiz vom 22. Februar 1984, Serie A Nr. 74, § 26, Diennet/Frankreich vom 26. September 1995, Serie A Nr. 325-A, § 33, und Exel/Tschechische Republik vom 5. Juli 2005, § 45) gilt aber:

„Dieser öffentliche Charakter schützt die Streitbeteiligten gegen eine Rechtspflege im Geheimen ohne öffentliche Kontrolle; sie ist auch eines der Mittel, durch das das Vertrauen in die Gerichte aufrechterhalten werden kann. Dadurch, dass sie die Rechtspflege transparent macht, trägt die Öffentlichkeit dazu bei, das Ziel des Art. 6 Abs. 1, nämlich ein faires Verfahren, dessen Garantie einer der wesentlichen Grundsätze jeder demokratischen Gesellschaft im Sinne der Konvention ist, zu erreichen.“

91 Mit der Regelung, dass der Richter ausnahmsweise beschließen kann, eine Verhandlung nicht öffentlich abzuhalten, bestätigt Art. 31 der Satzung, dass eine Freigabe der Schriftsätze, die in der mündlichen Verhandlung bereits öffentlich erörtert wurden und auch Gegenstand einer Zusammenfassung sind, die der Öffentlichkeit zu diesem Anlass zugänglich ist, den ordnungsgemäßen Ablauf des fraglichen Verfahrens grundsätzlich nicht zu beeinträchtigen droht. Sie zeigt zudem, dass der Richter über ein eventuelles – absolutes oder partielles – Vertraulichkeitserfordernis nur vor der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, so dass dadurch, dass das Organ den Zugang erst ab der mündlichen Verhandlung gewährt, die praktische Wirksamkeit einer eventuellen Entscheidung des Richters von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei, die mündliche Verhandlung nicht öffentlich abzuhalten, gewahrt wird.

92 Aus alledem folgt, dass die Kommission nicht rechtsfehlerhaft gehandelt hat, als sie die Schriftsätze betreffend die Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, nicht konkret geprüft hat, und dass sie keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie ein öffentliches Interesse am Schutz dieser Schriftsätze bejaht hat.

93 Nach Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 war der Zugang zu den von der Klägerin angeforderten Schriftsätzen indes zu gewähren – selbst wenn ihre Freigabe tatsächlich geeignet war, den Schutz der fraglichen Gerichtsverfahren zu beeinträchtigen –, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse ihre Freigabe rechtfertigte.

94 Die Verordnung Nr. 1049/2001 definiert den Begriff des überwiegenden öffentlichen Interesses nicht. Auch ist es bei den von der fraglichen Ausnahme geschützten Interessen – anders als bei den Interessen, die von den in Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen geschützt werden, für die der Gesetzgeber selbst eine Interessenabwägung vorgenommen hat – Sache des betreffenden Organs, die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Freigabe und dem Interesse, dem durch eine Verweigerung der Freigabe genügt würde, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers hierzu, vorzunehmen.

95 Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin auf den Vortrag beschränkt, dass das Recht der Öffentlichkeit, über wichtige Fragen des Gemeinschaftsrechts, z. B. des Wettbewerbsrechts, und über Fragen, an denen ein erkennbares politisches Interesse besteht, was bei Fragen der Fall sei, die in Vertragsverletzungsverfahren aufgeworfen würden, informiert zu werden, gegenüber dem Schutz von Gerichtsverfahren überwiege. Die Kommission hat vorgetragen, dass Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 eine Ausnahme von einer Ausnahme sei und daher, würde sie als Ausdruck des Prinzips der Transparenz systematisch angewandt, die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren jede praktische Wirksamkeit verlieren würde. Mangels eines substantiierten Vorbringens der Klägerin zum Bestehen eines überragenden Bedürfnisses, die Öffentlichkeit über die genannten Fragen zu informieren, war die Kommission in der angefochtenen Entscheidung der Auffassung, dass dem öffentlichen Interesse am besten gedient sei, wenn der ordnungsgemäße Ablauf der fraglichen Gerichtsverfahren geschützt werde.

96 Es steht fest, dass die Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielt. Es ist Sache der Presse, über alle Fragen von allgemeinem Interesse zu informieren, wozu auch das Verfassen von Berichten und Kommentaren über Gerichtsverfahren gehört, was dazu beiträgt, sie bekannt zu machen, und völlig mit dem oben in Randnr. 90 dargestellten Erfordernis der Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung vereinbar ist. Es steht ebenfalls fest, dass das Recht der Öffentlichkeit auf diese Informationen Ausdruck des Prinzips der Transparenz ist, das durch die gesamten Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 verwirklicht wird, wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, wonach Transparenz eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess ermöglicht, eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung ihnen gegenüber gewährleistet und zur Stärkung des Grundsatzes der Demokratie beiträgt.

97 Grundsätzlich muss das in Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 genannte überwiegende öffentliche Interesse, das die den Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtigende Freigabe eines Dokuments rechtfertigen kann, von den oben genannten der Verordnung zugrunde liegenden Grundsätzen verschieden sein. Gleichwohl bedeutet die Tatsache, dass ein Antragsteller, wie im vorliegenden Fall, kein von diesen Grundsätzen verschiedenes öffentliches Interesse geltend macht, nicht ohne Weiteres, dass keine Abwägung der beteiligten Interessen erforderlich wäre. Denn die Berufung auf diese Grundsätze kann angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls so dringend sein, dass sie die Schutzbedürftigkeit der streitigen Dokumente überwiegt.

98 Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Dass sich die Öffentlichkeit über laufende Rechtssachen informieren kann, wird nämlich zum einen dadurch sichergestellt, dass jedes Gerichtsverfahren, sobald es anhängig gemacht worden ist, nach Art. 16 Abs. 6 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 24 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichts Gegenstand einer Mitteilung im Amtsblatt ist, die auf der EUR‑Lex-Webseite sowie auf der Seite des Gerichtshofs auch über das Internet abrufbar ist und u. a. den Streitgegenstand, den Klageantrag sowie die geltend gemachten Klagegründe und die wesentlichen Argumente enthält. Außerdem wird der Sitzungsbericht, der eine Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien enthält, am Tag der mündlichen Verhandlung veröffentlicht, in der im Übrigen das Vorbringen der Parteien öffentlich erörtert wird.

99 Zum anderen hat die Anwendung der Ausnahme zum Schutz der fraglichen Gerichtsverfahren u. a. den Zweck, jede äußere Beeinflussung ihres ordnungsgemäßen Ablaufs zu verhindern. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, ist aber das Interesse am Schutz dieses Zwecks unabhängig vom Inhalt der von der Klägerin angeforderten Schriftsätze zwingend zu beachten, da es sich um ein Interesse handelt, dessen Schutz für eine geordnete Rechtspflege erforderlich ist.

100 Daher ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass das bestehende Interesse am Schutz der fraglichen Gerichtsverfahren das von der Klägerin geltend gemachte etwaige allgemeine Interesse an der Freigabe überwog. Im Übrigen ist eine solche Beschränkung nicht absolut, da sie für alle Schriftsätze, zu denen der Zugang verweigert wurde, nur bis zur mündlichen Verhandlung gilt.

101 Daraus folgt, dass die Auffassung der Kommission, das von der Klägerin geltend gemachte Interesse habe die Freigabe der fraglichen Schriftsätze nicht rechtfertigen können, nicht auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruht.

102 Nach alledem ist der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, zurückzuweisen.

– Zur Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in der Rechtssache T‑342/99

103 Zur Weigerung, Zugang zu den Schriftsätzen in der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, die mit Urteil des Gerichts vom 6. Juni 2002 abgeschlossen wurde, also etwa eineinhalb Jahre vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, hat die Kommission in dieser ausgeführt, dass die Schutzbedürftigkeit von Gerichtsverfahren fortbestanden habe, weil sich an jenes Urteil eine Schadensersatzklage gegen sie angeschlossen habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03). Diese Rechtssache, die noch beim Gericht anhängig sei, weise nämlich insofern eine enge Verbindung mit dem durch das genannte Urteil abgeschlossenen Verfahren auf, als ihr Vorbringen zur Verteidigung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, die durch jenes Urteil des Gerichts für nichtig erklärt worden sei, auch Gegenstand der Erörterungen im anhängigen Verfahren sei.

104 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihre Klagebeantwortung in der Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03, am 28. Februar 2004 eingereicht hat, die angefochtene Entscheidung aber am 20. November 2003 erlassen wurde. Wie die Kommission selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, hatte sie bei Erlass der angefochtenen Entscheidung noch nicht entschieden, welche Argumente aus den Schriftsätzen der bereits abgeschlossenen Rechtssache sie auch in der anhängigen Rechtssache vortragen würde. Die vollständige Verweigerung des Zugangs zu diesen Schriftsätzen hat also ihren Grund in dem Wunsch der Kommission, sich die Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Argumente für die Verteidigung ihres Standpunkts in der anhängigen Rechtssache offenzuhalten.

105 Eine solche Rechtfertigung ist aber offenkundig nicht als Nachweis geeignet, dass die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Schriftsätzen von der fraglichen Ausnahme gedeckt war, weil die Schriftsätze in ihrer Gesamtheit des Schutzes bedurften, da ihre Freigabe das anhängige Verfahren, das mit dem Verfahren, auf das sie sich beziehen, im Zusammenhang stand, beeinträchtigt hätte.

106 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Schriftsätze, zu denen die Klägerin Zugang begehrt hat, eine Rechtssache betreffen, die durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossen wurde. Daher ist ihr Inhalt nicht nur in Form einer Zusammenfassung durch den vom Gericht verfassten Sitzungsbericht veröffentlicht und im Lauf einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erörtert worden, sondern hat auch Eingang in das Urteil des Gerichts gefunden. Da es sich also um Vorbringen handelt, das der Öffentlichkeit, zumindest in Form einer Zusammenfassung, bereits zugänglich ist, ist die von der Kommission geltend gemachte Notwendigkeit, den Zugang zu allen angeforderten Schriftsätzen allein deshalb zu verweigern, weil das darin enthaltene Vorbringen in einer anderen, noch anhängigen Rechtssache erörtert werde, geeignet, den allgemeinen Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der Organe auszuhöhlen. Ein solcher Ansatz führt nämlich zu einer klaren Umkehr der durch die Verordnung Nr. 1049/2001 aufgestellten Regel, nämlich dem Recht auf Zugang, und den Ausnahmen von diesem Recht, die nach der oben in Randnr. 53 angeführten Rechtsprechung eng auszulegen und anzuwenden sind.

107 Als Zweites ist festzustellen, dass es nicht außergewöhnlich ist, dass sich das betreffende Organ in Rechtssachen, die dieselben Parteien betreffen, aber einen unterschiedlichen Gegenstand haben können, oder die unterschiedliche Parteien betreffen, aber denselben Gegenstand haben, auf dasselbe Vorbringen stützt. Der Umstand allein, dass Argumente, die dem Richter bereits in einer abgeschlossenen Rechtssache vorgetragen worden sind, auch in einer ähnlichen Rechtssache oder im Rahmen einer Schadensersatzklage erörtert werden könnten, die von der mit ihrer Nichtigkeitsklage obsiegenden Partei erhoben worden ist, lässt keineswegs auf eine Gefahr der Beeinträchtigung des Ablaufs des noch anhängigen Verfahrens schließen.

108 Die Gründe, die die Kommission zur Rechtfertigung der Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen betreffend die Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, anführt, könnten – würden sie zugelassen – auch in all jenen Fällen gelten, in denen die in den Schriftsätzen einer abgeschlossenen Rechtssache enthaltene Argumentation geeignet ist, auch in einer anhängigen Rechtssache vorgetragen zu werden.

109 Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie oben in Randnr. 104 dargelegt, ferner entschieden, den Zugang zu verweigern, weil sie meinte, frei sein zu müssen, unter den Argumenten in den genannten Schriftsätzen diejenigen auszuwählen, die sie auch in der anhängigen Rechtssache vortragen wollte. Diese Argumentation, die es entgegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 auch unmöglich macht, einen teilweisen Zugang in Betracht zu ziehen, zeigt, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Freigabe des Inhalts der von der Klägerin angeforderten Schriftsätze den ordnungsgemäßen Ablauf des noch beim Gericht anhängigen Verfahrens MyTravel/Kommission, T‑212/03, beeinträchtigen würde.

110 Die behauptete Notwendigkeit, Argumente zu schützen, die gegebenenfalls in einem noch anhängigen Verfahren vorgetragen werden, kann also kein Grund für die Verweigerung des Zugangs zu Schriftsätzen einer Rechtssache sein, die bereits durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossen wurde, wenn es an jedweder besonderen Begründung fehlt, mit der gezeigt werden soll, dass die Freigabe der Schriftsätze das anhängige Gerichtsverfahren beeinträchtigen würde. Die von der Kommission geäußerten Bedenken gehen nicht über bloße Behauptungen hinaus und sind daher zu hypothetisch (vgl. in diesem Sinne Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 84).

111 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie den Zugang zu den Schriftsätzen der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, verweigert hat. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ist demnach hinsichtlich dieser Weigerung stattzugeben.

Zur auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten

Vorbringen der Parteien

112 Die Klägerin trägt vor, die Kommission könne die Freigabe ihrer Schriftsätze nicht unter Berufung auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten mit der Begründung verweigern, die Schriftsätze seien in Vertragsverletzungsverfahren eingereicht worden, die noch beim Gerichtshof anhängig seien oder mit denen – obgleich durch dessen Urteil abgeschlossen – die Kommission noch befasst sei. Vertragsverletzungsverfahren hätten große politische Bedeutung, so dass das öffentliche Interesse am Zugang zu Dokumenten in diesem Bereich beträchtlich sei und im Laufe der Untersuchung weiter wachse.

113 Da die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten eine starke tatsächliche Komponente enthalte und in erster Linie die Unterdrückung und Verfälschung von Beweismaterial betreffe, vermindere sich die Gefahr der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses am Schutz von Untersuchungen in dem Maße, in dem Beweise gefunden würden. Dadurch, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe beständig steige und das öffentliche Interesse am Schutz der Untersuchungen stetig geringer werde, müssten die Dokumente der Organe aus Vertragsverletzungsverfahren zumindest teilweise oder in einer nicht vertraulichen Fassung freigegeben werden. Die Kommission sei daher gehalten, im Fall der Zugangsverweigerung den Nachweis einer erheblichen Beeinträchtigung des betreffenden öffentlichen Interesses zu erbringen.

114 Der Zeitpunkt, ab dem das öffentliche Interesse an der Freigabe den Schutz der Untersuchungen überwiege, sei der der Klageerhebung beim Gerichtshof, weil in diesem Stadium die Bemühungen um eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits gescheitert seien. Dieser Standpunkt stimme mit dem Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, überein, in dem das Gericht entschieden habe, dass die von der Kommission vor Erhebung der Vertragsverletzungsklage verfassten Dokumente, d. h. im Vorverfahren ergangene Mahnschreiben und mit Gründen versehene Stellungnahmen, vom Zugang der Öffentlichkeit ausgenommen gewesen seien. Es sei außerdem darauf hinzuweisen, dass dieses Urteil den Verhaltenskodex von 1993 betroffen habe und Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bezüglich der Ausnahmen vom Zugangsrecht enger auszulegen sei.

115 Die Kommission macht geltend, Ziel des Vertragsverletzungsverfahrens sei es, dass das nationale Recht in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht gebracht werde, und nicht, die Mitgliedstaaten zu „verfolgen“. Solange der Gerichtshof nicht entschieden habe, sei daher eine gütliche Beilegung möglich, was einen durch Vertraulichkeit geschützten Dialog voraussetze, wie das Gericht im Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt (Randnr. 68), anerkannt habe. Das Vorbringen der Klägerin, dieses Urteil betreffe nur das Vorverfahren, weil die in jener Rechtssache angeforderten Dokumente Mahnschreiben und mit Gründen versehene Stellungnahmen gewesen seien, entbehre jeder Grundlage, da das Gericht betont habe, dass sich das Vertraulichkeitserfordernis auf das gesamte Vertragsverletzungsverfahren bis zum Stadium das Urteils beziehe (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

116 Unter Berufung auf den Anhang II des Zwanzigsten Berichts über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts fügt die Kommission hinzu, dass die Statistiken des Jahres 2002 die Effizienz ihres Dialogs mit den Mitgliedstaaten über Vertragsverletzungen zeigten, denn daraus ergebe sich, dass von 361 beim Gerichtshof erhobenen Klagen 69 vor Erlass des Urteils zurückgenommen und 22 Verfahren vor erneuter Befassung des Gerichtshofs nach Art. 228 EG eingestellt worden seien. Da es sich also um einen Dialog handele, der gegebenenfalls bis zur Entscheidung über eine spätere Klage nach Art. 228 EG andauern könne, könne die Verbreitung dieser Argumente das Vertragsverletzungsverfahren beeinträchtigen, indem sie das Vertrauensklima zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gefährde.

117 Genau um den Zweck, eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits zwischen ihr und den österreichischen Behörden zu erreichen, nicht zu gefährden, sei der Antrag auf Herausgabe ihrer Verfahrensschriftstücke in der noch anhängigen Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03, abgelehnt worden. Der Zugang zu den Verfahrensschriftstücken in den „Open-Skies“-Rechtssachen sei aus ähnlichen Gründen verweigert worden, da die betreffenden Mitgliedstaaten den Urteilen des Gerichtshofs, mit denen die Vertragsverletzung festgestellt worden sei, noch immer nicht nachgekommen und damit im Zusammenhang stehende Verfahren gegen andere Mitgliedstaaten noch immer anhängig seien.

118 Schließlich gebe es kein überwiegendes öffentliches Interesse, das die Freigabe von Verfahrensschriftstücken aus allen Vertragsverletzungsverfahren verlange, da sonst der Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten jede praktische Wirksamkeit genommen würde. Sie habe zu der Zeit, als die Verordnung Nr. 1049/2001 erlassen worden sei, erklärt, dass sie akzeptiere, „dass die Vertragsverletzungsverfahren nicht ausdrücklich zu den in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung vorgesehenen Ausnahmen gehören, weil sie der Auffassung ist, dass die vereinbarte Fassung die Beibehaltung der gegenwärtigen Praxis im Hinblick auf die Ausübung ihrer Verantwortung als Hüterin des Gemeinschaftsrechts voraussetzt“ (Protokoll des Rates, 6. Juni 2001, Dok. 9204/01 ADD 1, S. 3). Das zu schützende öffentliche Interesse liege darin, dass sie in der Lage sei, den Mitgliedstaat davon zu überzeugen, dem Gemeinschaftsrecht nachzukommen, was die Erhaltung eines Vertrauensklimas zwischen ihnen und die Verweigerung jedes Zugangs zu Dokumenten vor Abschluss der Rechtssache erfordere.

Würdigung durch das Gericht

119 Es ist daran zu erinnern, dass die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten bereits im Verhaltenskodex von 1993 vorgesehen war. Wie oben in Randnr. 62 zum Schutz von Gerichtsverfahren ausgeführt, bestehen die Unterschiede zwischen dem Verhaltenskodex und der Verordnung Nr. 1049/2001 darin, dass der Verhaltenskodex die Möglichkeit vorsah, ein Dokument vom Zugang der Öffentlichkeit auszunehmen, wenn sich durch dessen Freigabe „eine Beeinträchtigung [von Untersuchungstätigkeiten] ergeben könnte“, während sich die Verordnung Nr. 1049/2001 auf den Fall bezieht, dass durch die Freigabe Untersuchungstätigkeiten „beeinträchtigt würde[n]“, sowie darin, dass der Verhaltenskodex nicht vorsah, dass sich ein überwiegendes öffentliches Interesse gegenüber dem Interesse am Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten durchsetzen kann. Die Verordnung Nr. 1049/2001 enthält allerdings wie der Verhaltenskodex von 1993 keine Definition der Untersuchungstätigkeiten.

120 Nach der zur Zeit der Geltung des Verhaltenskodex von 1993 entwickelten Rechtsprechung zu dieser Ausnahme hat die Kommission sie zu Recht angeführt, um den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, die sich auf die Untersuchung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht beziehen, die zur Einleitung eines Verfahrens nach Art. 226 EG führen konnte (Urteile WWF UK/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, und Bavarian Lager/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt) oder tatsächlich zur Einleitung eines solchen Verfahrens geführt hat (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt). In diesen Fällen ist die Zugangsverweigerung als gerechtfertigt angesehen worden, weil die Mitgliedstaaten von der Kommission erwarten dürfen, dass sie die Vertraulichkeit hinsichtlich der Untersuchungen wahrt, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, auch wenn seit dem Abschluss dieser Untersuchungen einige Zeit verstrichen ist (Urteil WWF UK/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 63), und selbst nach Anrufung des Gerichtshofs (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

121 Aus der Rechtsprechung ergibt sich somit, dass eine Freigabe von Dokumenten, die sich auf die Untersuchungsphase beziehen, während der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat den ordnungsgemäßen Ablauf des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtigen könnte, da dessen Ziel, dem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seinen Vertragspflichten freiwillig nachzukommen oder gegebenenfalls seine Auffassung zu rechtfertigen (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C‑191/95, Slg. 1998, I‑5449, Randnr. 44), gefährdet werden könnte (Urteil Bavarian Lager/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 46). Dieses Vertraulichkeitserfordernis besteht, wie das Gericht auch im Rahmen des Verhaltenskodex von 1993 festgestellt hat, selbst nach Anrufung des Gerichtshofs fort, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat, mit denen erreicht werden soll, dass dieser freiwillig den Anforderungen des Vertrags nachkommt, während des Gerichtsverfahrens und bis zur Verkündung des Urteils fortgesetzt werden. Die Wahrung dieses Zwecks – die gütliche Beilegung des Streits zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vor Erlass des Urteils des Gerichtshofs – rechtfertigt es, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, die im Rahmen des Verfahrens nach Art. 226 EG verfasst wurden (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

122 Hinsichtlich der Frage, ob eine solche Rechtfertigung unabhängig vom Inhalt jedes einzelnen angeforderten Dokuments auf alle Schriftsätze anwendbar ist, die die Kommission in vor dem Gerichtshof anhängigen Vertragsverletzungsverfahren einreicht, ist daran zu erinnern, dass, wie sich aus den Ausführungen oben in Randnr. 73 ergibt, eine konkrete Prüfung des Inhalts jedes angeforderten Dokuments entbehrlich ist, wenn die fraglichen Dokumente offenkundig in ihrer Gesamtheit von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden.

123 Das ist der Fall, wenn die angeforderten Schriftsätze die gleiche Art von Informationen enthalten und der betreffende Mitgliedstaat die Vertragsverletzung, auf die sie sich beziehen, bestreitet. Da nämlich die Möglichkeit, den Streit zwischen der Kommission und dem fraglichen Mitgliedstaat gütlich beizulegen, ein wesentlicher Zweck der Untersuchungstätigkeiten der Kommission ist, wenn die Mitgliedstaaten ihren Pflichten aus dem Gemeinschaftsrecht nicht nachkommen, muss die Vertraulichkeit von Verfahrensvorgängen, die für die Erreichung dieses Zwecks erforderlich ist, gewahrt werden können, bis der Gerichtshof über das Vorliegen der fraglichen Vertragsverletzung entscheidet, wodurch der Vorgang in Bezug auf die Folgen abgeschlossen wird, die die von der Kommission durchgeführte Untersuchung haben kann. Da diese Dokumente die Ergebnisse der Untersuchung enthalten, die zum Nachweis der bestrittenen Vertragsverletzung durchgeführt wurde, können sie zudem nur insgesamt von der Ausnahme erfasst sein.

124 Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission geweigert, der Klägerin Zugang zu ihren Schriftsätzen zu gewähren, die zum einen ein Vertragsverletzungsverfahren betrafen, das zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch anhängig war (Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03), so dass sie diese Weigerung ebenfalls auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren stützte, und zum anderen acht ähnliche Vertragsverletzungsverfahren („Open-Skies“-Rechtssachen), in denen der Gerichtshof zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bereits mit den Urteilen vom 5. November 2002 entschieden hatte, denen die betreffenden Mitgliedstaaten allerdings noch nicht nachgekommen waren.

125 Da, wie aus der obigen Randnr. 102 hervorgeht, die Weigerung, Zugang zu den Schriftsätzen in der Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03, zu gewähren, von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erfasst wird, erübrigt sich die Prüfung, ob sie ebenfalls auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungsaktivitäten gestützt werden konnte. Die Anwendung dieser Ausnahme ist daher nur im Hinblick auf die Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den „Open-Skies“-Rechtssachen zu prüfen.

126 Alle diese Schriftsätze sind, da sie notwendigerweise die Ergebnisse der Untersuchungen enthalten, die die Kommission durchgeführt hat, um einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nachzuweisen, eng mit der Einleitung der Vertragsverletzungsverfahren verknüpft, in deren Rahmen sie eingereicht worden sind, und beziehen sich daher auf Untersuchungstätigkeiten im Sinne des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001.

127 Vor dem Hintergrund, dass jede Ausnahme vom Zugangsrecht, wie oben in Randnr. 53 festgestellt, eng auszulegen und anzuwenden ist, kann jedoch der Umstand allein, dass die angeforderten Dokumente ein geschütztes Interesse betreffen, nicht die Anwendung der geltend gemachten Ausnahme rechtfertigen, sondern die Kommission muss nachweisen, dass deren Freigabe den Schutz des Zwecks ihrer Untersuchungstätigkeiten bezüglich der fraglichen Vertragsverletzungen tatsächlich beeinträchtigen konnte.

128 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Kommission dadurch einen Beurteilungsfehler begangen hat, dass sie die Verweigerung der Freigabe der Schriftsätze, die sie im Rahmen der fraglichen Vertragsverletzungsklagen eingereicht hatte, als von der in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme gedeckt angesehen hat.

129 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sie den Zugang zu diesen Schriftsätzen nicht habe genehmigen können, weil die betreffenden Mitgliedstaaten, obwohl die fraglichen Rechtssachen durch Urteile des Gerichtshofs abgeschlossen gewesen seien, diesen Urteilen noch nicht nachgekommen seien, so dass sie mit diesen Verfahren noch befasst gewesen sei. Die laufenden Verhandlungen mit diesen Mitgliedstaaten mit dem Ziel, diese dazu zu bewegen, den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts freiwillig nachzukommen, würden gefährdet, wenn die von der Klägerin angeforderten Schriftsätze freigegeben würden. Deshalb bleibe der Zweck des Schutzes ihrer Untersuchungstätigkeiten bestehen, solange diese Mitgliedstaaten den Urteilen des Gerichtshofs nicht nachgekommen seien. Sie hat in ihrer Klagebeantwortung ferner ausgeführt, dass Verfahren, die mit den „Open-skies“-Rechtssachen im Zusammenhang stünden, weil sie denselben Gegenstand hätten, gegen andere Mitgliedstaaten eingeleitet worden und noch immer beim Gerichtshof anhängig seien.

130 Die Klägerin tritt der Ansicht der Kommission entgegen und trägt vor, dass das Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei, weil es Dokumente betroffen habe, die vor Erhebung der Klage beim Gerichtshof verfasst worden seien, und dass außerdem die Anrufung des Gerichtshofs impliziere, dass die Bemühungen um eine gütliche Beilegung gescheitert seien. Das genannte Urteil beziehe sich ferner auf die Anwendung des Verhaltenskodex von 1993, die Verordnung Nr. 1049/2001 sei hinsichtlich der Ausnahmen zum Zugangsrecht enger auszulegen.

131 Erstens ist festzustellen, dass dem Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, nicht entnommen werden kann, dass allein die vor Anrufung des Gerichtshofs erstellten Dokumente dem Zugang der Öffentlichkeit entzogen werden können. Denn Dokumente wie Mahnschreiben und mit Gründen versehene Stellungnahmen sollen den Streitgegenstand umschreiben, was impliziert, dass sie und die Klage notwendigerweise auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein müssen (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1988, Kommission/Belgien, 298/86, Slg. 1988, 4343, Randnr. 10, und vom 1. Februar 2005, Kommission/Österreich, C‑203/03, Slg. 2005, I‑935, Randnr. 28). Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht hat, sind die Beweise und das Vorbringen in den Schriftsätzen daher identisch mit denen in den Schriftstücken aus dem Vorverfahren, so dass die von der Klägerin getroffene Unterscheidung der Grundlage entbehrt.

132 Zweitens ist zwar richtig, dass der Zweck, zu einer gütlichen Beilegung zu gelangen, der Grund für die Existenz des Vorverfahrens ist, doch wird, wie die von der Kommission vorgelegten Statistiken zeigen, ein solches Ergebnis oft erst nach der Anrufung des Gerichtshofs erreicht. Es widerspräche daher dem Zweck eines Vertragsverletzungsverfahrens, den betreffenden Mitgliedstaat dazu zu bewegen, das Gemeinschaftsrecht zu beachten, wenn ausgeschlossen würde, dass ein solches Ergebnis nach Klageerhebung eintreten kann. Im Übrigen hat das Gericht in eben diesem Sinne entschieden, als es festgestellt hat, dass das Vertraulichkeitserfordernis selbst nach der Anrufung des Gerichtshofs fortbesteht, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat, mit denen erreicht werden soll, dass dieser freiwillig den Anforderungen des Vertrags nachkommt, während des Gerichtsverfahrens und bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofs fortgesetzt werden (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

133 Diesem Ergebnis steht nicht das Vorbringen der Klägerin entgegen, der Grund für das Bestehen der fraglichen Ausnahme liege in der Verhinderung der Verfälschung von Beweisen, und eine solche Gefahr sei nach der Klageerhebung der Kommission beim Gerichtshof sehr viel geringer. Wie sich aus der Formulierung der fraglichen Ausnahme ergibt, soll diese nämlich nicht die Untersuchungstätigkeiten als solche schützen, sondern deren Zweck, der im Fall eines Vertragsverletzungsverfahrens, wie aus der oben in den Randnrn. 120 und 121 angeführten Rechtsprechung folgt, darin besteht, den betreffenden Mitgliedstaat dazu zu bewegen, das Gemeinschaftsrecht zu beachten. Aus diesem Grund können die verschiedenen Untersuchungshandlungen auch weiterhin unter die fragliche Ausnahme fallen, solange dieser Zweck nicht erreicht worden ist, selbst wenn die konkrete Untersuchung oder Inspektion, die zu dem Dokument geführt hat, zu dem Zugang begehrt wird, beendet ist (Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 110, und entsprechend für die Anwendung des Verhaltenskodex von 1993, Urteil des Gerichts vom 13. September 2000, Denkavit Nederland/Kommission, T‑20/99, Slg. 2000, II‑3011, Randnr. 48).

134 Im vorliegenden Fall hatte der Gerichtshof zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bereits seit etwa einem Jahr die Urteile erlassen, mit denen er die den betreffenden Mitgliedstaaten von der Kommission vorgeworfenen Vertragsverletzungen feststellte. Es kann daher nicht bestritten werden, dass zu diesem Zeitpunkt keine auf den Nachweis der fraglichen Vertragsverletzungen gerichtete Untersuchungstätigkeit mehr stattfand, die durch die Freigabe der angeforderten Dokumente hätte gefährdet werden können.

135 Gleichwohl ist zu prüfen, ob, wie die Kommission vorträgt, Dokumente, die sich auf Untersuchungstätigkeiten beziehen, als von der Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst angesehen werden können, obwohl die fraglichen Tätigkeiten beendet sind und nicht nur zur Klageerhebung beim Gerichtshof geführt haben, sondern auch zum Erlass von Urteilen durch diesen. Es ist also zu klären, ob der Zweck, eine gütliche Beilegung zu erreichen, wie von der Kommission zur Rechtfertigung der Zugangsverweigerung angeführt, nach Verkündung der Urteile fortbestehen kann, mit denen die Vertragsverletzungen festgestellt werden, für die die Untersuchungstätigkeiten der Kommission durchgeführt worden sind.

136 Im Anschluss an die Urteile, mit denen eine Vertragsverletzung festgestellt wird, haben die betreffenden Mitgliedstaaten nach Art. 228 Abs. 1 EG alle Maßnahmen zu ergreifen, die für die Durchführung der Urteile erforderlich sind. Zwar nennt Art. 228 EG keine Frist, innerhalb deren ein Urteil durchgeführt sein muss, doch verlangt nach ständiger Rechtsprechung das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, dass diese Durchführung sofort in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen wird (Urteile des Gerichtshofs vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, C‑387/97, Slg. 2000, I‑5047, Randnrn. 81 und 82, und vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, C‑278/01, Slg. 2003, I‑14141, Randnrn. 26 und 27). Sobald der Gerichtshof festgestellt hat, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat, hat dieser Maßnahmen zu ergreifen, um diesem Urteil nachzukommen, ohne dass dies vom Ergebnis der Verhandlungen mit der Kommission abhängig gemacht werden kann.

137 Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der betreffende Mitgliedstaat weiter den Vertrag verletzt, auch im Hinblick auf die Befolgung des Urteils des Gerichtshofs, was die Kommission dazu veranlassen kann, nach Art. 228 Abs. 2 EG erneut ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Doch muss die Kommission in einer solchen Situation eine neue Untersuchung durchführen, die ein neues Vorverfahren umfasst und gegebenenfalls zu einer erneuten Anrufung des Gerichtshofs führt. Die Untersuchungstätigkeiten, die zur Klageerhebung nach Art. 228 EG führen, sind also im Vergleich zu denjenigen, die zur Klageerhebung nach Art. 226 EG geführt haben, neu, da sie auf den Nachweis gerichtet sind, dass der durch Urteil des Gerichtshofs festgestellte Verstoß nach Verkündung dieses Urteils fortdauert.

138 Zudem sieht Art. 228 Abs. 2 EG, weil er die Nichtbefolgung eines Urteils des Gerichtshofs betrifft, Mittel vor, die einen säumigen Mitgliedstaat zur Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils veranlassen und damit die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch diesen Staat gewährleisten sollen. Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen – Pauschalbetrag und Zwangsgeld – dienen nämlich beide diesem Zweck, der also darin besteht, auf diesen Staat wirtschaftlichen Zwang auszuüben, der ihn dazu veranlasst, die festgestellte Vertragsverletzung abzustellen (Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, Slg. 2005, I‑6263, Randnrn. 80 und 91, und vom 14. März 2006, Kommission/Frankreich, C‑177/04, Slg. 2006, I‑2461, Randnrn. 59 und 60).

139 Würde man schließlich anerkennen, dass die verschiedenen Dokumente, die sich auf Untersuchungstätigkeiten beziehen, von der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst werden, solange nicht alle im Anschluss an diese Verfahren zu ergreifenden Maßnahmen erlassen sind, selbst wenn eine neue Untersuchung erforderlich ist, die eventuell zu einer Klageerhebung nach Art. 228 Abs. 2 EG führt, liefe das darauf hinaus, den Zugang zu diesen Dokumenten von ungewissen Ereignissen wie der Missachtung des Urteils des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird, durch den betreffenden Mitgliedstaat und der Klageerhebung nach Art. 228 Abs. 2 EG, die im Ermessen der Kommission steht, abhängig zu machen. Jedenfalls würde es sich um zukünftige und nicht sichere Ereignisse handeln, deren Eintritt von der Schnelligkeit und der Sorgfalt der verschiedenen beteiligten Behörden abhinge.

140 Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Ziel, den größtmöglichen Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der Organe zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren (vgl. in diesem Sinne Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 112; zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. auch entsprechend Urteile Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 39, und JT’s Corporation/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 50).

141 Zu dem in der Klagebeantwortung vorgetragenen Umstand, dass Rechtssachen mit demselben Gegenstand wie dem der „Open-Skies“-Rechtssachen noch immer beim Gerichtshof anhängig seien, genügt zum einen die Feststellung, dass die Kommission nicht erläutert hat, inwiefern die Möglichkeit, mit den von diesen Rechtssachen betroffenen Mitgliedstaaten eine gütliche Beilegung zu erreichen, durch die Freigabe von Schriftsätzen, die sie in Verfahren gegen andere Mitgliedstaaten eingereicht hat, die bereits durch Urteile des Gerichtshofs abgeschlossen wurden, vereitelt werden soll. Zum anderen kann, wie oben in den Randnrn. 106 und 107 festgestellt, die bloße Verknüpfung zwischen zwei oder mehreren Rechtssachen, unabhängig davon, ob sie dieselben Parteien oder denselben Gegenstand haben, für sich allein keine Zugangsverweigerung rechtfertigen, geschweige denn eine eindeutige Umkehr des Verhältnisses zwischen dem Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten der Organe und den Ausnahmen von diesem Grundsatz, wie sie in der Verordnung Nr. 1049/2001 normiert wurden, bewirken.

142 Aus alledem folgt, dass die Kommission dadurch einen Beurteilungsfehler begangen hat, dass sie den Zugang zu den Dokumenten, die die „Open-Skies“-Rechtssachen betreffen, verweigerte. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ist daher in Bezug auf diese Verweigerung stattzugeben.

Kosten

143 Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall jede Partei teils obsiegt hat und teils unterlegen ist, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Große Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Kommission vom 20. November 2003 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihr der Zugang zu den Schriftsätzen verweigert worden ist, die die Kommission beim Gerichtshof in den Rechtssachen Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑466/98, Kommission/Dänemark, C‑467/98, Kommission/Schweden, C‑468/98, Kommission/Finnland, C‑469/98, Kommission/Belgien, C‑471/98, Kommission/Luxemburg, C‑472/98, Kommission/Österreich, C‑475/98, und Kommission/Deutschland, C‑476/98, und beim Gericht in der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, eingereicht hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Vesterdorf

Jaeger

Pirrung

Vilaras

Legal

Martins Ribeiro

Cremona

Pelikánová

Šváby

Jürimäe

 

Wahl

Prek

 

Ciucă

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. September 2007.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

B. Vesterdorf


* Verfahrenssprache: Englisch. (Quelle: http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit=rechercher&numaff=T-36/04)