EuGH: ARD ./. Kommission Drucken

Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 30. September 2003

Rs. T-158/00

Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) / Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Zulässigkeit – Bezahlfernsehmarkt und Markt für digitale interaktive Fernsehdienste – Ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Zusagen in der ersten Prüfungsphase – Fristen – Änderung der Zusagen – Unzulänglichkeit der Zusagen“ (Dritte Kammer)

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

Am 22. Dezember 1999 meldeten die Unternehmen British Sky Broadcasting Group plc (nachstehend: BSkyB) und Kirch Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG (nachstehend: KW) gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 4064/89 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 ein Zusammenschlussvorhaben an. Danach sollte BSkyB zusammen mit KW die gemeinsame Kontrolle über das Unternehmen Kirch Pay-TV GmbH & Co. KGaA (nachstehend: KirchPayTV) erwerben. BSkyB ist ein britisches Unternehmen, das im Medienbereich tätig ist, vorrangig im Bereich analoger und digitaler Fernsehdienste, die über Satellit und Kabel im Vereinigten Königreich und in Irland verbreitet werden, sowie zusätzlich im Bereich des terrestrischen Digitalfernsehens im Vereinigten Königreich. Sie vertreibt ihre eigenen Bezahlfernsehkanäle direkt an Abonnenten und über gewerbliche Kabel- und Sendebetriebe. Außerdem ist sie an dem Unternehmen British Interactive Broadcasting/Open beteiligt, das im Vereinigten Königreich digitale interaktive Fernsehdienste anbietet. Schließlich erbringt sie eine Reihe fernsehrelevanter Dienstleistungen.

Im Zeitpunkt der Anmeldung des Vorhabens war BSkyB in Deutschland nicht auf den Märkten für Bezahlfernsehen, für interaktives Digitalfernsehen und für den Erwerb von Fernsehrechten tätig. KirchPayTV, ein deutsches Unternehmen, wurde zum Zeitpunkt der Anmeldung allein durch KW kontrolliert, die ihrerseits im alleinigen gesellschaftsrechtlichen Eigentum der Kirch-Gruppe steht, eines Medienkonzerns, der in den Bereichen frei empfangbares Fernsehen, Rechtehandel auf den Gebieten Sport und Fiction, Film- und Fernsehproduktionen, Business-TV, Bezahlfernsehen und technische Dienstleistungen für Bezahlfernsehen tätig ist.

Die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens vom 22. Dezember 1999 wurde im Amtsblatt vom 11. Januar 2000 veröffentlicht. Am selben Tag erhielt die Klägerin ein Auskunftsersuchen der Kommission, in dem sie gebeten wurde, bis zum 14. Januar 2000 zu den Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb Stellung zu nehmen.

Die Klägerin antwortete der Kommission innerhalb der gesetzten Frist, dass der Zusammenschluss eine Verstärkung der beherrschenden Stellung von KirchPayTV auf den Märkten für Bezahlfernsehen, für den Erwerb von Programmrechten und für die Erbringung technischer Dienstleistungen für Bezahlfernsehen sowie die Entstehung einer solchen Stellung auf dem Markt für digitale interaktive Fernsehdienste zur Folge haben würde. Außerdem brachte die Klägerin ihre Sorge zum Ausdruck, dass das Zusammenwirken zwischen Kirch und BSkyB zu einer Verstärkung der vertikalen Integration der beteiligten Unternehmen auf den betroffenen Märkten und zu einer zwischenstaatlichen Wettbewerbsbeschränkung vor allem in den Bereichen der Beschaffung von Fernsehprogrammen und der digitalen interaktiven Fernsehdienste führen würde.

Die am Zusammenschluss Beteiligten legten der Kommission ein Zusagenpaket vor. Die Kommission forderte die Klägerin am 29. Februar 2000 auf, zu diesen Zusagen bis zum 2. März 2000 Stellung zu nehmen.

In ihrer Stellungnahme vom 2. März 2000 beanstandete die Klägerin, die angebotenen Zusagen stellten nicht mehr als das bloße Versprechen dar, die marktbeherrschende Stellung von KirchPayTV nicht zu missbrauchen.

Am 14. März 2000 forderte die Kommission die Klägerin auf, bis zum 15. März 2000 13.00 Uhr zu einer ersten abgewandelten Fassung des Zusagenpakets Stellung zu nehmen. Die Klägerin gab eine kurz gefasste Kommentierung ab.

Die Kommission gab der Klägerin keine Kenntnis von einer zweiten abgewandelten Fassung des Zusagenpakets und forderte sie nicht zu einer Stellungnahme dazu auf. Die Klägerin erhielt von diesem Paket am 18. März 2000 von dritter Seite Kenntnis.

Mit der Entscheidung vom 21. März 2000 (nachstehend: angefochtene Entscheidung) genehmigte die Kommission den fraglichen Zusammenschluss unter Bedingungen gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 sowie Artikel 57 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

Die von den Beteiligten angebotenen Zusagen reichten nach Auffassung der Kommission aus, um ihre ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt wegen seiner Auswirkungen auf die Märkte für Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste auszuräumen, und sie genehmigte daher den Zusammenschluss gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89.

Mit Klageschrift, die am 13. Juni 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt des Artikels 2 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 4064/89

Die Klägerin trägt vor, die Kommission sei in Nummer 54 der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Auswirkung des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt gestützt auf ihre Ausführungen in den Nummern 56 bis 70 zu dem Ergebnis gelangt, dass auf diesem Markt weder BSkyB noch irgendein anderes Unternehmen kurz- und mittelfristig potenzieller Wettbewerber von KirchPayTV sei.

Der Umstand, dass KirchPayTV es trotz ihrer beherrschenden Stellung hinsichtlich der Infrastruktur und der Programminhalte und obwohl sie auf dem Bezahlfernsehmarkt der einzige Anbieter ist, angesichts der Stärke des frei empfangbaren Fernsehens in Deutschland nicht schafft, die Wirtschaftlichkeitsschwelle zu erreichen, wäre geeignet, andere Betreiber von einem Markteintritt abzuhalten.

Ferner würde das finanzielle Scheitern von KirchPayTV nur das Argument untermauern, dass für einen Markteintritt erhebliche Mittel verfügbar sein müssten. Die Klägerin hat jedoch der in den Nummern 68 und 69 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Behauptung nicht widersprochen, dass BSkyB nicht in der Lage sein werde, die für den Eintritt in einen neuen, a priori verlustbringenden Markt erforderlichen Mittel aufzubringen, da sie erhebliche Investitionen zu tragen habe, um sich als Betreiber von digitalen Fernsehdiensten im Vereinigten Königreich zu etablieren und eine Satellitenptattform gegen die Konkurrenz durchzusetzen.

Folglich beruht das Vorbringen der Klägerin, sofern KirchPayTV nicht infolge des Zusammenschlusses neue Finanzmittel zuflössen, würden potenzielle Wettbewerber in den fraglichen Markt einsteigen, auf der nicht nachgewiesenen Annahme, dass das hnanzielle Scheitern von KirchPayTV auf diesem Markt ein den Markteintritt potenzieller Wettbewerber begünstigender Faktor wäre.

Nach alledem ist der Klagegrund, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie angenommen habe, BSkyB könne nicht als kurz- und mittelfristig potenzieller Wettbewerber angesehen werden, nicht stichhaltig.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89

Die Klägerin trägt vor, das Zusammenschlussvorhaben sei im vorliegenden Fall gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung in der ersten Phase der Fusionskontrolle für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden, nachdem die beteiligten Unternehmen Zusagen gemacht hätten. Ein Zusammenschlussvorhaben in der ersten Phase der Fusionskontrolle auf der Grundlage von Zusagen der beteiligten Unternehmen für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, sei eine gängige Praxis der Kommission, die in der Lehre heftig kritisiert worden sei und erst vor kurzem im neuen Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung, der durch die Verordnung Nr. 1310/97 eingefügt worden sei, eine formelle gesetzliche Grundlage erhalten habe.

Der Rückgriff auf diese Möglichkeit sei in der Verordnung Nr. 1310/97 jedoch einschränkenden Voraussetzungen unterworfen und komme, wie aus der achten Begründungserwägung der Verordnung hervorgehe, nur dann in Betracht, „wenn das Wettbewerbsproblem klar umrissen ist und leicht gelöst werden kann“.

Der zweite Klagegrund – so das Gericht – ist zurückzuweisen, weil nicht bewiesen worden ist, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hat, indem sie das Problem als klar umrissen und leicht zu lösen ansah; eine Entscheidung darüber, ob Zusagen in der ersten Phase nur dann akzeptiert werden dürfen, wenn die Wettbewerbsprobleme klar umrissen und leicht zu lösen sind, oder ob es ausreicht, dass die Zusagen die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt zerstreuen können, ist nicht erforderlich.

Zum dritten Klagegrund: Unzulänglichkeit der Zusagen

Die Klägerin trägt vor, die von der Kommission akzeptierten Zusagen reichten nicht aus, um die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt auszuräumen. Sie stützt diesen Klagegrund auf Rügen, die alle Zusagen gemeinsam betreffen, auf spezifisch einzelne Zusagen betreffende Rügen und auf Rügen, die sie aus dem Fehlen angeblich gebotener Zusagen herleitet.

Zur ersten Rüge, mit der beanstandet wird, die Zusagen enthielten lediglich Versprechen, von der Kommission festgestellte marktbeherrschende Stellungen nicht zu missbrauchen, ist zunächst festzustellen, dass die Zusagen, obzwar sie eher verhaltensbezogener Natur sind, einen strukturorientierten Charakter aufweisen, da sie ein Strukturproblem lösen sollen, nämlich das des Marktzutritts Dritter.

Da durch die Zusagen, die Struktur der digitalen Übertragung auf allen Ebenen für den Wettbewerb geöffnet wird, gehen sie in ihrer Tragweite weit über ein einfaches Verbot, eine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen, hinaus.

Sodann ist klarzustellen, dass es nicht darum geht, ob den Verpflichtungen aus den Zusagen angeblich Artikel 82 EG zugrunde liegt, sondern vielmehr darum, ob die Zusagen die durch den Zusammenschluss verursachten Probleme lösen können. Die Klägerin hat jedoch in ihrer Klageschrift die Geeignetheit der Zusagen nur abstrakt in Frage gestellt und ihre Verhältnismäßigkeit gegenüber den von der Kommission klar umrissenen Wettbewerbsproblemen nicht geprüft.

Im Übrigen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Zusagen gegenüber der allgemeinen Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Artikel 82 EG keinen Mehrwert bieten. Im Rahmen der allgemeinen Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Artikel 82 EG ist der Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung und ihres Missbrauchs von der Kommission und den Dritten zu führen. Dagegen bewirken die Zusagen, die bei einer Genehmigungsentscheidung über einen Zusammenschluss in Form einer Bedingung auferlegt werden, einen Übergang der Beweislast für ihre Einhaltung auf die an dem fraglichen Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. Insoweit gehen die Zusagen bereits über die allgemeine Aufsicht nach Artikel 82 EG hinaus.

Hierzu ist überdies festzustellen, dass ohne Zusagen die Einleitung eines nationalen oder gemeinschaftlichen Verfahrens nach Artikel 82 EG geboten wäre, dessen Ausgang ungewiss und dessen Ergebnis jedenfalls schwerer durchzusetzen wäre.

In der vorliegenden Rechtssache sehen die Zusagen eine Reihe genauer Maßnahmen zur Öffnung des Zugangs zu den verschiedenen Märkten und ein bindendes Schiedsverfahren für den Fall von Schwierigkeiten bei der Durchführung vor.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Zusagen, durch die interessierten Dritten Zugang zur technischen Plattform der Kirch-Gruppe verschafft werden solle, seien nur eine Anwendung der nach Artikel 82 EG jedem marktbeherrschenden Unternehmen obliegenden Verpflichtung, seine technischen Dienstleistungen Dritten zur Verfügung zu stellen, um ihnen zu ermöglichen, mit ihm in Wettbewerb zu treten. Sie bestreitet damit, dass die Zusagen ausreichen.

Durch die drei ersten Zusagen der Kirch-Gruppe soll Inhalteanbietern Zutritt zum Bezahlfernsehmarkt und zum Markt für digitale interaktive Fernsehdienste verschafft werden. Sie gewährleisten den Zugang zur technischen Satellitenplattform der Kirch-Gruppe zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen, damit ihre digitalen Dienstleistungen über die d-Box empfangen werden können. Die drei Zusagen haben dadurch eine strukturbezogene Auswirkung. Sie stellen nicht nur ein Versprechen dar, eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 82 EG nicht zu missbrauchen, und scheinen nicht von vornherein ungeeignet zu sein, die hier durch den Zusammenschluss aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme zu lösen.

Im Übrigen hat die Klägerin nicht nachgewiesen oder auch nur vorgetragen, warum es neben den verschiedenen Maßnahmen zur Öffnung der Märkte, die sich aus den in der Entscheidung vorgesehenen Zusagen insgesamt ergeben, noch der von ihr vorgeschlagenen Zusage bedurft hätte.

Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat; die Rüge ist daher zurückweisen.

Zum vierten Klagegrund: Verfahrensfehler durch Nichteinleitung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchsta6e c der Verordnung Nr. 4064/89

Die Klägerin trägt vor, die Kommission könne gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung in Verbindung mit der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97 lediglich in Fällen, in denen das Wettbewerbsproblem klar umrissen sei und leicht gelöst werden könne, Zusagen bereits in der ersten Phase der Kontrolle annehmen und dürfe nur dann darauf verzichten, das Verfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Fusionskontrollverordnung einzuleiten.

Zum Argument, die Kommission habe festgestellt, dass das Zusammenschlussvorhaben Anlass zu ernsthaften Bedenken gebe, ist daran zu erinnern, dass in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Fusionskontrollverordnung, wonach die Kommission das Verfahren einzuleiten hat, wenn sie feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Sedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, ausdrücklich vorgesehen ist, dass diese Verpflichtung unbeschadet des Artikels 6 Absatz 2 gilt. Dort wird der Kommission aber gerade die Befugnis gegeben, das genannte Verfahren nicht einzuleiten und den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, wenn sie feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss nach Änderungen durch die beteiligten Unternehmen keinen Anlass mehr zu ernsthaften Bedenken gibt.

Zum fünften Klagegrund: unzulässige Verkürzung der Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren

Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren verletzt, indem sie Zusagen angenommen habe, die von den am Zusammenschluss Beteiligten so spät angeboten worden seien, dass die Klägerin dazu nicht mehr rechtzeitig habe Stellung nehmen können.

Nach Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 seien die der Kommission von den beteiligten Unternehmen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgeschlagenen Zusagen, die nach Absicht der Beteiligten die Grundlage für eine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz i Buchstabe b dieser Verordnung bilden sollten, der Kommission nicht später als drei Wochen nach dem Tag des Eingangs der Anmeldung vorzulegen.

Es ergebe sich, dass die Kommission nach Ablauf der Frist des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98, d. h. im vorliegenden Fall nach dem 29. Februar 2000, grundsätzlich nicht mehr berechtigt gewesen sei, Modifikationen von vorgeschlagenen Zusagen zu berücksichtigen.

Dennoch habe die Kommission nach diesem Tag zwei Änderungen des Zusagenpakets berücksichtigt, die sachlich erheblich gewesen seien.

Es ist festzustellen, dass die hier von der Kommission nach der Dreiwochenfrist angenommenen Änderungen begrenzten Umfang im Sinne von Nummer 37 der Mitteilung hatten, d. h. „als sofortige Antwort auf die Ergebnisse der Beratungen vorgelegt (worden sind und] Klarstellungen, Verfeinerungen und/oder sonstige Verbesserungen (umfassen], die sicherstellen, dass die Verpflichtungen durchführbar und wirksam sind“.

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin weder nachgewiesen noch in ihren Schriftsätzen oder in der mündlichen Verhandlung auch nur vorgetragen hat, welche wesentlichen Änderungen nach der Dreiwochenfrist vorgenommen worden sein sollen; sie hat lediglich behauptet, dass solche Änderungen vorgenommen worden seien.

Was die Zusagen 1 bis 3 betreffend den Zugang Dritter zur Plattform von Kirch angeht, so bestehen die Änderungen in der geänderten gegenüber der ersten Fassung insbesondere in der Erweiterung des Kreises der Adressaten dieser Zusagen auf alle interessierten Dritten anstelle der bisherigen Beschränkung auf die Fernsehveranstalter und in der Verdeutlichung der dem betreffenden Kirch-Unternehmen gegenüber dem Adressaten des Angebots obliegenden Kooperationspflichten, darunter die Pflicht zur Offenlegung der Informationen über das Zugangskontrollsystem und über die technischen Dienstleistungen binnen eines Monats ab schriftlicher Anforderung des interessierten Dritten.

Es ist festzustellen, dass der Gehalt der Zusage, den Zugang Dritter zum d-Box-System von Kirch zu erweitern, unverändert bleibt und dass die Änderungen Verbesserungen im Sinne von Nummer 37 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen darstellen.

Es ist jedoch noch zu untersuchen, ob die Kommission, wie die Klägerin geltend macht, durch die Annahme der Änderungen der ursprünglichen Zusagen nach der Dreiwochenfrist die Verfahrensrechte der Klägerin beeinträchtigt hat.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin, bevor sie von der Kommission am 29. Februar 2000 über die von BSkyB und Kirch vorgeschlagenen Zusagen unterrichtet wurde, als Dritte am Verfahren beteiligt war und von der Kommission am 11. Januar 2000 ein Auskunftsersuchen erhielt, in dem sie gebeten wurde, zu den Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb Stellung zu nehmen. Ihren am 14. und am 21. Januar 2000 eingereichten Stellungnahmen folgte am 9. Februar 2000 eine Besprechung mit der Generaldirektion Wettbewerb.

Ferner legte die Klägerin auf Anfrage der Kommission mit Schriftsatz vom 22. Februar 2000 dar, welche Auflagen, Bedingungen und öffentlich-rechtlichen Zusagen sie im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht für erforderlich hielt.

Außerdem wurde die Klägerin, wie sie in der Klageschrift ausgeführt hat, aufgefordert, zu den ursprünglichen Zusagen binnen einer Frist von knapp 48 Stunden und zur ersten Änderung des Zusagenpakets binnen 24 Stunden Stellung zu nehmen.

Überdies hatte die Klägerin die Möglichkeit, zu der ersten Änderung des Zusagenpakets in ihrem Schreiben vom 15. März 2000 Stellung zu nehmen. Sie wiederholte einmal mehr ihre Befürchtung hinsichtlich der Verstärkung der beherrschenden Stellung von Kirch auf dem Markt für Bezahlfernsehen in Deutschland und hinsichtlich der Begründung einer Quasi-Monopol-Stellung für die Lieferung technischer Plattformen und Dienstleistungen. Außerdem forderte sie Änderungen hinsichtlich der Modalitäten der Zusagen, um eine Erweiterung des Marktzugangs für andere Set-Top-Boxen als die d-Box und die Öffnung des Kirchschen Systems für den MHP-Standard zu erreichen, ohne dass dies an Fristen, Bedingungen oder diskriminierenden geschäftlichen Auflagen geknüpft sein dürfe.

Demnach hat die Kommission in der ersten Phase Dritte, darunter die Klägerin, angehört.

Folglich ist festzustellen, dass die Klägerin sehr wohl in der Lage war, ihren Standpunkt zur Tragweite und zur Art der Zusagen, die nach ihrer Auffassung von den am Zusammenschluss Beteiligten anzubieten und von der Kommission als Bedingungen oder Auflagen aufzuerlegen waren, mitzuteilen.

Da es sich um eine Entscheidung der Kommission in der Phase I handelt, macht der Umstand, dass die Klägerin für die Stellungnahme zur ersten Änderung der ihr bekannten ursprünglichen Zusagen nur knapp 24 Stunden Zeit hatte, die Entscheidung nicht rechtswidrig.

Das Gericht hat für Recht erkannt und entschieden:

     

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2.  

  3. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission und der Streithelferinnen KirchPayTV und BSkyB.


Quelle: Tätigkeiten des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Bulletin der Abteilung Presse und Information des Gerichtshofes), Nr. 25/03, S. 32 ff.