RA Prof. Dr. Johannes Weberling: Was ist eigentlich ein „Plagiat“? Drucken

RA Prof. Dr. Johannes Weberling, Berlin / Frankfurt (Oder)

Was ist eigentlich ein „Plagiat“?

Der Begriff des „Plagiats“ geht auf die Antike zurück und wird im geltenden Urheberrechtsgesetz nicht verwendet. Plagiat ist nach allgemeiner Ansicht eine Urheberrechtsverletzung, bei der sich jemand fremde Urheberschaft bewußt anmaßt (vgl. Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. § 23 UrhG, Rn. 28). Es handelt sich um den Vorwurf geistigen Diebstahls durch bewußte Aneignung fremden Geistesgutes (vgl. für viele Loewenheim, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrecht, 2. Auflage, § 8, Rn. 24 m.w.N.). Bei einem Plagiat kann einerseits eine Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte vorliegen (fehlende Quellenangabe etc.) oder aber die Verletzung von Verwertungsrechten.
Gegenstand des sog. Plagiats können ganze Werke oder auch Teile eines Werkes sein. Voraussetzung ist allerdings stets, daß ein eigenständiger Urheberrechtsschutz besteht. Die Übernahme schutzunfähiger Werkteile ist zulässig und stellt kein Plagiat dar (vgl. Loewenheim, a.a.O., § 8, Rn. 24). Die Grenze des Plagiats bildet die freie Benutzung (§ 24 UrhG), bei der jemand das geschützte Werk eines anderes Urhebers zwar für sein eigens Werkschaffen benutzt, diese Benutzung aber nicht in einer Umgestaltung oder Bearbeitung des fremden Werkes liegt, sondern das fremde Werk lediglich als Anregung für das eigene Werkschaffen dient. Die freie Benutzung ist grundsätzlich zulässig, sie stellt kein Plagiat dar und bedarf daher auch nicht der Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes (vgl. Loewenheim, a.a.O., § 8, Rn. 8 und 24 m.w.N.).
Voraussetzungen für das Vorliegen eines Plagiats sind daher die Inanspruchnahme geschützten fremden Geistesgutes durch die bewußte Anmaßung der Urheberschaft.
 
1. Inanspruchnahme geschützten fremden Geistesguts
Es muß grundsätzlich um die Verwendung geschützten fremden Geistesgutes gehen. Gemeinfreie Werke, also auch Werke, die aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr dem Urheberrecht unterfallen, können beliebig als eigene Werkschöpfungen ausgegeben werden, ohne daß ein Plagiat vorliegt.
Das übernommene Werk muß dem urheberrechtlichen Schutz des § 2 UrhG unterfallen. Dies gilt auch für übernommene Werkteile. Es muß eine persönliche geistige Schöpfung vorliegen, die eine gewisse Gestaltungshöhe aufweist und eine Form besitzt, die der Wahrnehmung durch die menschlichen Sinne zugänglich ist.
Die bloße Idee ist daher regelmäßig nicht Gegenstand urheberrechtlichen Schutzes. Abstrakte Gedanken und Ideen müssen im Interesse der Allgemeinheit frei bleiben und können nicht durch das Urheberrechtsgesetz monopolisiert werden (vgl. Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, a.a.O., § 2 UrhG, Rn. 51 m. w. N.). Häufig kann der Idee jedoch bereits deswegen kein Schutz zukommen, weil sie schon die Werkvoraussetzungen i.S.d. § 2 UrhG nicht erfüllt. So hat der BGH beispielsweise Pläne zur Verkehrsführung  bei Flughäfen als nicht schutzwürdig erachtet (BGH GRUR 1979, 464 - Flughafenpläne).
Auch wissenschaftliche Lehren und Theorien sind daher in ihrem Kern, in ihrem gedanklichen Inhalt und in ihrer Aussage gemeinfrei. Sie sollen stets Gegenstand der freien geistigen Auseinandersetzung sein können. Die dem wissenschaftlichen Werk zugrundeliegenden oder in ihm entwickelten wissenschaftlichen Entdeckungen, Daten, Lehren und Theorien sind somit urheberrechtlich nicht geschützt (vgl. Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, a.a.O. § 2 UrhG, Rn. 65). Urheberrechtlicher Schutz kann insoweit lediglich dann entstehen, wenn es sich z.B. um eine eigentümliche inhaltliche Verarbeitung, innere Bezüge und Schlußfolgerungen oder eine besondere Systematisierung und Anordnung der Daten und Befunde handelt.
 
2. Anmaßung eigener Urheberschaft
Zweite Voraussetzung für das Vorliegen eines Plagiats ist die Anmaßung der eigenen Urheberschaft. Der Plagiator gibt also ein fremdes Werk als eigene schöpferische Leistung aus (vgl. Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, a.a.O. § 23 UrhG, Rn. 28).

3. Vorsatz
Schließlich muß die Anmaßung eigener Urheberschaft bewußt erfolgen. Eine unbewußte Entlehnung stellt kein Plagiat dar, wohl aber eine Urheberrechtsverletzung (vgl. Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, a.a.O. § 23 UrhG, Rn. 31 und 32). Davon zu unterscheiden ist die Doppelschöpfung, bei der mehrere Urheber unabhängig voneinander übereinstimmende Werke geschaffen haben (vgl. Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, a.a.O. § 23 UrhG, Rn. 33)